Ein Signal auf «Halt» bedeutet für den Lokführer, dass er schnellstmöglich seinen Zug abbremsen muss. Doch auf den Zufahrtstrecken zum neuen Gotthard-Basistunnel der Neat sollen die Lokführer sehr ähnlich aussehende Signalbilder ignorieren.
Die SBB haben als «zeitlich befristete Übergangslösung» ein sogenanntes ETCS-Rangiersignal (European Train Control System) im Einsatz, das mit den auf anderen Strecken üblichen Zwergsignalen fast identisch ist. Nur ein weisses Kreuz und blaue Farbflächen lassen es bei guter Sicht etwas anders aussehen – bei Dunkelheit wird auch dieser Unterschied hinfällig. ETCS-Rangiersignale gelten nur für Rangierfahrten, Zwergsignale hingegen für alle Zugfahrten.
«Bastellösung»
Eine «Bastellösung» nennt der Bahnsicherheits-Experte Hans-Peter Vetsch das neue Signal. Er war 22 Jahre für die Bahnsicherheit bei der Alptransit Gotthard AG tätig, die Bauherrin des Gotthard-Basistunnels. Er fordert, dass zwingend eine Anpassung gemacht werden müsse.
Vetsch selber hatte schon vor vier Jahren vorgeschlagen, die neuen ETCS-Rangiersignale für Streckenfahrten dunkel zu schalten. So würden die Lokführer die Signale nicht sehen und wären nicht irritiert. Auf den ETCS-Level-2-Strecken sind alle Lichtsignale demontiert, die Streckeninformationen werden dem Lokführer direkt auf ein Display gemeldet. Nur die ETCS-Rangiersignale leuchten noch seitlich am Schienenstrang.
«Absolut untauglich»
Der Lokpersonalverband LPV findet das ETCS-Rangiersignal «absolut untauglich». Das Signal könne nicht eindeutig erkannt werden. Auch LPV-Zentralpräsident Hans-Ruedi Schürch ist Lokführer. «Es besteht die Gefahr, dass ich mich daran gewöhne, an so geschlossenen Signalen vorbeizufahren und nicht mehr unterscheide, ob es ein ETCS-Rangiersignal oder ein Zwergsignal ist.»
«10vor10» liegen Dokumente vor, die klar zeigen, dass bereits im Sommer 2013 die Verwechslungsgefahr erkannt war: Die ETCS-Rangiersignale sollten blaue Lampen erhalten, damit sie von den Zwergsignalen «unterschieden werden können.» Doch weder diese noch andere Unterscheidungsmöglichkeiten wurden bis heute umgesetzt.
Die SBB verweisen darauf, dass die «jetzige Signalisierung als Übergangslösung bewilligt» sei. Man nehme das Thema ernst und arbeite an einer Änderung.