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Schweiz Neue Hoffnung für Syrien? Burkhalter stellt Gespräche in Aussicht

Der Schweizer Aussenminister kündigt erste Koordinationsgespräche zum Syrien-Konflikt in Genf an. Zusätzlich stellt er weitere 50 bis 100 Millionen für die Flüchtlingshilfe in Aussicht.

SRF: Herr Bundesrat, Sie haben zwei Syrien-Konferenzen angestossen. Doch im Moment hat man den Eindruck, es geht gar nichts mehr. Warum engagieren Sie sich nicht stärker für eine politische Lösung im Konflikt um Syrien?

Didier Burkhalter: Im Sommer hat man im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen entschieden, einen neuen Dialog zu lancieren. Zum ersten Mal seit vier Jahren waren alle Grossmächte damit einverstanden. Man ist übereingekommen, dass man einen ähnlichen Dialog in Gang bringt, wie denjenigen, den wir in der Ukraine angestossen haben. Das heisst, es wird eine internationale Kontakt- und Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Schweiz wurde ferner angefragt, eine dieser Arbeitsgruppen zu leiten. Wir haben deshalb Mediatoren zur Verfügung gestellt, die Ende November beginnen sollen.

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Wie wichtig ist die Rolle der Schweiz beim Finden der politischen Lösung?

Die politische Lösung wird hier in Genf diskutiert. Die Schweiz wird die Vereinten Nationen mit den Mediatoren in den verschiedenen Arbeitsgruppen unterstützen. Die Rolle der Schweiz ist bescheiden, aber die Schweiz gilt als neutral, und wir können mit allen diskutieren. Die Gespräche werden in den nächsten Tagen beginnen.

Die Schweiz hat seit Ausbruch der Krise in Syrien 9000 Kontingents-Flüchtlinge aufgenommen. Mit einem Verteilschlüssel sollen nochmals ein paar tausend Flüchtlinge hinzukommen. Wie viele Flüchtlinge kann die Schweiz aufnehmen?

Die Schweiz kann für eine bestimmte Zeit ziemlich viele Flüchtlinge aufnehmen. Wie viele das genau sein werden, wird der Bundesrat diskutieren.

Wie will der Bundesrat sonst noch auf die Flüchtlingskrise reagieren?

Wir haben im Moment die grösste humanitäre Operation aller Zeiten in den Regionen Syrien, Irak, Jordanien und Libanon. Da müssen wir Hilfe vor Ort leisten.

Wird der Bundesrat jetzt noch einmal mehr Geld sprechen?

Das IKRK und das Welternährungsprogramm sind unterfinanziert. Wir haben schon mehr als 200 Millionen Franken gegeben, und wir denken, dass es zwischen 50 und 100 Millionen mehr geben könnte. Das entscheidet der Bundesrat aber noch.

Wieso helfen die reichen Golfstaaten nicht mehr?

Viele nehmen tatsächlich keine Flüchtlinge auf, aber sie helfen mit Geld. Diese Staaten haben auch die Flüchtlingskonvention nie unterschrieben. Wir versuchen, diese Staaten zu überzeugen, mehr zu tun.

Es ist die Rede von einer neuen Willkommenskultur. Es hat aber auch viele Menschen, die Angst haben, weil die Flüchtlings-Menge so gross ist. Nehmen Sie auch diese Menschen wahr?

Ich verstehe die Angst, und ich spüre sie auch, wenn ich mit den Leuten auf der Strasse spreche. Diesen Leute sage ich: In der Schweiz haben wir sehr viel Glück. Wir können in Frieden leben. Wir haben Perspektiven, und wir können sogar helfen. Die grosse Angst ist nicht hier, sondern in diesen Ländern, wo sich die Leute jeden Tag fragen müssen, wie es weitergeht.

Europa zeigt sich im Moment nicht von seiner schönen Seite. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hat gesagt, die Dinge sind uns aus dem Ruder gelaufen. Ist die Flüchtlingskrise die Schicksalsfrage von Europa?

Sie ist eine grosse Frage von Europa. Europa hat aber auch noch andere entscheidende Probleme zu lösen: etwa bezüglich der Wirtschaft, der Demografie, der Perspektive der Jugend, der Klimaänderung. Das alles müssen wir in einer Generation lösen. Das ist zwar schwierig, aber möglich, wenn wir zusammenarbeiten.

Im Moment findet gerade das Gegenteil von Zusammenarbeit statt. Ungarn zieht Zäune hoch, Deutschland führt Grenzkontrollen ein, Österreich setzt gar aufs Militär, Dänemark will aus dem Vertrag Dublin raus. Was sagen Sie als Aussenminister angesichts dieser Überforderung von Europa?

Zuerst müssen wir hier in der Schweiz mit gutem Beispiel vorangehen. Wir haben uns entschieden, Leute aufzunehmen, auch dank der europäischen Diskussion.

Sind Schengen und Dublin am Ende?

Nein, die Verträge sind aber überholt in Zeiten grosser Krisen wie wir jetzt eine haben. Für solche Krisen brauchen wir in Europa zusätzliche Regeln.

Es erreichen uns viele Zahlen und Bilder zur Krise in Syrien. Gibt es ein Bild, das Ihnen besonders im Kopf geblieben ist?

Es gibt mehrere Bilder. Auf einem Bild sieht man einen Vater mit seiner Familie. Er hat mit seiner Familie eine Etappe der Flucht hinter sich gebracht und weint. Er weint, weil er glücklich ist, dass er eine Etappe gemacht hat. Manchmal frage ich mich, was ich machen würde an der Stelle dieser Flüchtlinge. Ich weiss nicht, ob ich vier Jahre gewartet hätte, ohne Perspektive für die Kinder. Ich glaube, viele Leute in der Schweiz spüren wahrscheinlich dasselbe. Wir würden auch Schutz suchen für die Familie.

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