Ging die letzte Potenzialstudie aus dem Jahr 2012 noch von knapp vier Terawattstunden Windenergie pro Jahr aus, rechnet das Bundesamt für Energie (BFE) heute mit knapp 30 Terawattstunden. Damit könnte die Windkraft fast die Hälfte des Schweizer Stromverbrauchs decken.
Diese Steigerung hängt einerseits mit dem technischen Fortschritt zusammen, denn moderne Windräder sind grösser und produzieren mehr Strom, wie BFE-Windexperte Markus Geissmann erklärt.
Es gibt mehr nutzbare Flächen und damit auch mehr Potenzial.
Anderseits habe zugleich die Politik in letzter Zeit die Bedingungen für den Bau von Windrädern erleichtert: «Damit ist heute der Bau von Windparks im Wald- und teilweise auch in Landschaftsschutzgebieten möglich. Es gibt mehr nutzbare Flächen und damit auch mehr Potenzial.»
Das sind aus Sicht des Bundesamtes erfreuliche Nachrichten. Windenergie könnte die Sonnenenergie ideal ergänzen, insbesondere weil Windräder im Winter Strom produzieren.
3000 Windräder für den Vollausbau
Die Schweiz habe in den letzten Jahren im Winterhalbjahr jeweils zwischen zwei und sieben Terawattstunden Storm importiert, erklärt Geissmann. Mit der allmählichen Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke werde der Stromimport weiter ansteigen: «Der Ausbau der Windenergie würde dieses Problem deutlich entschärfen oder bei Nutzung des vollen Potenzials komplett lösen.»
Würde das volle Potenzial ausgeschöpft, müssten in den kommenden Jahren rund 3000 Windräder in der ganzen Schweiz gebaut werden. Das Bundesamt für Energie rechnet jedoch vor, dass sich die Stromversorgung bereits mit zusätzlich rund 1000 Windrädern entscheidend verbessern würde. Aktuell sind in der Schweiz 41 grössere Windenergieanlagen in Betrieb.
Bedenken des Natur- und Tierschutzes
Naturschützer und -schützerinnen wehren sich nicht kategorisch gegen Windräder. Eine breite Allianz von Umweltorganisationen hat kürzlich berechnet, dass 200 bis 300 zusätzliche Windenergieanlagen vertretbar wären.
Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin des Schweizer Vogelschutzes Birdlife betont aber, dass Windräder für Vögel eine Gefahr darstellen. Noch viel stärker seien wahrscheinlich die Fledermäuse betroffen. Da brauche es nicht einmal einen Aufprall. Denn schon der sehr grosse Druckabfall beim Durchgang der Rotoren zerreisse Fledermäusen die Eingeweide.
Schon der sehr grosse Druckabfall beim Durchgang der Rotoren zerreisst Fledermäusen die Eingeweide.»
Glauser beurteilt auch die Idee von Windrädern im Wald als heikel. Denn die Zugangswege zu den Windanlagen müssen freigeholzt werden, was einen weiteren Lebensraumverlust zur Folge habe.
Kommt Umdenken nach dem nächsten Winter?
BFE-Experte Markus Geissmann ist sich bewusst, dass Windräder in der Schweiz teilweise auf Skepsis stossen: «Ich kann mir aber vorstellen, dass der kommende Winter, der hoffentlich nicht allzu viel Probleme bringt, zu einer veränderten Einschätzung der Bevölkerung zur Stromproduktion führen wird.»
Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass auch in der Schweiz bald deutlich mehr Windräder am Horizont drehen. Ob es dereinst 1000 oder gar bis zu 3000 sein werden, wird sich weisen.