Der Journalist Ludovic Rocchi erhob im Frühling Plagiatsvorwürfe gegen die Neuenburger Universität. Ein Professor klagte ihn deswegen wegen Verleumdung ein.
Daraufhin klingelte die Polizei eines Morgens um halb sieben bei der Familie Rocchi in La Chaux-de-Fonds, in der Hand ein Durchsuchungsbefehl. Der Grund dafür waren die eingeleiteten Ermittlungen wegen übler Nachrede, Verleumdung und Amtsgeheimnisverletzung gegen Ludovic Rocchi.
Rocchi arbeitet als Journalist für die Zeitung «Le Matin». Er gilt wegen seiner Enthüllungsgeschichten als ausgesprochen unbequem.
Disziplinierung des Journalisten?
Der frühere Präsident des Presserats und Jurist Peter Studer meint denn auch, Rocchis Stil sei «recht rassig». Er könne sich durchaus vorstellen, dass dies in Neuenburg nicht nur Staub aufgewirbelt hat, sondern auch Staatsanwälte dazu verleitet hat, ihm mal «die Knöpfe einzutun».
Die Behörden beschlagnahmten nicht nur Rocchis Computer, sondern kurzerhand auch den von Rocchis Frau und ihrem elfjährigen Sohn. Alle diese Aktionen waren illegal, wie das Gericht festhielt.
«Le Matin» macht heute das entsprechende Urteil des Neuenburger Obergerichts publik. Demnach kritisieren die Richter, der Staatsanwalt habe übereilt gehandelt, die Aktion sei unverhältnismässig und die Vorwürfe rechtfertigten das Vorgehen in keiner Weise.
Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten
Der Tessiner Medienwissenschaftler Bertil Cottier versteht das Urteil als Ordnungsruf. Die Richter hätten klar gemacht, dass man das Zeugnisverweigerungsrecht nicht einfach umgehen dürfe, indem man einen Journalisten zum Beschuldigten mache.
Teil der Pressefreiheit ist nämlich das Privileg der Journalisten, dass sie sich weigern dürfen, den Behörden als Zeugen zu dienen. Sie dürfen ihre Quellen schützen. Das gilt allerdings nur für Journalisten im Zeugenstand, nicht für Journalisten auf der Anklagebank. Die Umgehung des Schutzes ist so gesehen recht einfach. Peter Studer sagt: «Mir scheint, dass hier der Verdacht einer Umgehung nahe liegt.»
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Aber Peter Studer meint: «Natürlich kann der Staatsanwalt noch ans Bundesgericht appellieren. Doch das wird er sich gut überlegen.» Auch Bertil Cottier ist zuversichtlich: Dieser Ordnungsruf werde nicht nur in Neuenburg gehört.