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Schweiz Notleidende Rentner: Behörden treiben Betagte in die Steuerfalle

Eine kleine Änderung bei der Auszahlung der Ergänzungsleistungen hat Folgen für Tausende von Rentnern. Nur weil die Krankenkassenprämien direkt an die Kassen vergütet werden, zahlen jetzt diese Betagte mehr Steuern.

In der Schweiz beziehen über 300'000 AHV- und IV-Rentner Ergänzungsleistungen. Sie leben an der Armutsgrenze und können nur dank der Unterstützung ihren Lebensunterhalt bezahlen.

Spätestens seit dem 1. Januar 2014 müssen die Ausgleichskassen oder Gemeinden ihre Prämienvergütungen direkt an die Krankenkassen überweisen. Die Ergänzungsleistungen werden um diesen Beitrag gekürzt.

Diese unscheinbare Änderung löst einen Dominoeffekt aus, der für viele EL-Berechtigten und AHV-Rentner fatale Folgen auf die Steuerrechnung hat. Mehrere Betroffene schreiben «Kassensturz», dass sie wegen den höheren Steuern schlaflose Nächte hatten.

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Auf einen Schlag 1900 Franken höhere Steuern

Einer von ihnen ist Viktor B. Der AHV-Rentner und seine Ehefrau müssen massiv mehr Steuern zahlen: Er zahlt total 3500 Franken. 1900 Franken mehr als vor dem Systemwechsel – obwohl er keinen Rappen mehr zur Verfügung hat.

Was ist der Grund für diese Steuererhöhung? Weil er die ganzen Krankenkassenprämien selber zahlte, konnte er in der Steuererklärung die Pauschale für die Krankenversicherungsprämien von 7500 Franken abziehen. Nun wird ihm das verweigert. Das führte dazu, dass sein steuerbares Einkommen plötzlich höher war.

Dazu kommt, dass er als Steuerzahler im Kanton Solothurn den zusätzlichen Abzug für «Rentner mit ungenügendem Einkommen» nicht mehr machen kann. Die Steuerrechnung erschütterte den bescheidenen Haushalt des Ehepaars.

Pro Senectute erhält mehr Anfragen

Bei den bescheidenen Einkommen bringt jede unvorhergesehene Rechnung oder höhere Steuer eine finanzielle Notsituation. Das zeigen auch die Fälle von Rentnern aus anderen Kantonen, die sich an «Kassensturz» gewendet haben.

Als Folge des höheren steuerbaren Einkommens fallen oft auch die Abzüge für Rentner mit ungenügendem oder bescheidenem Einkommen weg. Damit sind diese Haushalte doppelt bestraft.

Bei Pro Senectute ist dieses Problem bekannt. Die Organisation setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Rentner mit bescheidenen Einkommen auch tiefere Steuern zahlen müssen. Alain Huber, Mitglied der Geschäftsleitung sagt in «Kassensturz»: «In den kantonalen Beratungsstellen kommt das Thema auf.»

Bei rund 50 Prozent der Anfragen würden Finanzen im Zentrum stehen. Der Verband bietet eine Gratisberatung, um Betroffenen zu helfen (siehe Kasten).

BSV: «Keine nachteilige finanzielle Folgen»

Betroffene ärgern sich, dass niemand über die Folgen dieser Systemänderung nachgedacht hat. Rentner wie Viktor B. fühlen sich als Bürger hintergangen.

Besonders höhnisch für die sie: Vor der Umstellung informierte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in einer Broschüre und schrieb: «Insgesamt hat diese Änderung für die Bezügerinnen und Bezüger von EL aber keine nachteiligen finanziellen Folgen.»

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) betont: Es gehe um eine Gleichstellung, denn alle Personen, die Anspruch auf eine Prämienverbilligung haben, könnten ebenfalls nicht den ganzen Steuerabzug machen. Und zum Steuerabzug von EL-Berechtigten schreibt das BSV: «Vor der Einführung der Direktauszahlung der Prämien bei EL-Beziehenden hat dies aber niemand bemerkt» .

Tatsache ist: Tausende von EL-Bezügern zahlen zum Teil beträchtlich mehr Steuern, haben aber nicht mehr Geld zur Verfügung.

Eine Lösung wäre, dass Personen mit bescheidenem Einkommen steuerlich entlastet werden, sagt die Solothurner SP-Kantonsrätin Susanne Schaffner-Hess. Sie forderte bereits im letzten Jahr eine Änderung des Steuergesetzes. Aber diese Gesetzesänderung wurde von der Mehrheit des Kantonsrates gemäss dem Antrag der Regierung abgelehnt.

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