Die Pflanzen, die der Mann aus Eritrea auf dem Bauernhof ziehe, seien sogar grösser als jene seiner eigenen Mutter – einer gestandenen Bäuerin – sagt Markus Ramser. Der Bauer aus dem Thurgau erzählt vor den Medien, wie sehr er sich darüber freut, einen Flüchtling aus Eritrea auf seinem Hof zu haben.
Nur zehn Flüchtlinge machten mit
Auch der Nationalrat und Direktor des Bauernverbands, Jacques Bourgeois, freut sich, dass letztes Jahr acht Bauernhöfe in der ganzen Schweiz Flüchtlinge angestellt haben und diese bis zu einem Jahr lang beschäftigten. Erntehelfer aus Europa seien ja nicht mehr so gerne gesehen, stellt Bourgeois fest. Flüchtlinge, die schon im Land seien, heisse man deshalb herzlich willkommen.
Im Rahmen des Pilotprojekts gab es auf den Höfen allerdings nur gerade Plätze für 15 anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Aus Europa kommen dagegen jedes Jahr etwa 30'000 Erntehelfer in die Schweiz. Ausserdem konnte man nur 10 der anvisierten 15 Flüchtlinge auf den teilnehmenden Bauernhöfen unterbringen.
Ziel: «Erkenntnisse gewinnen»
Trotzdem mag Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, nicht von einem Misserfolg sprechen. Seine Behörde hat das Vorhaben zusammen mit dem Bauernverband lanciert und zahlt mit. Er betont, dass das primäre Ziel nicht gewesen sei, möglichst viele Asylbewerber in der Landwirtschaft zu beschäftigen. Vielmehr gehe es darum, «Erkenntnisse zu gewinnen, welche Voraussetzungen nötig sind, um in der Landwirtschaft integriert zu werden».
Die nun gemachten Erfahrungen zeigen: Von den mehreren tausend arbeitsfähigen Flüchtlingen, die jedes Jahr in die Schweiz kommen, können nur wenige auf einem Bauernhof arbeiten. Denn für die Arbeit braucht es Fitness, Sprachkenntnisse und zumindest minimale Landwirtschafts-Erfahrung. Auch müssten auf einigen Bauernbetrieben noch gewisse Vorurteile abgebaut werden, sagt Gattiker. Ausserdem – fügt Bauerndirektor Bourgeois hinzu – sei die Vermittlung von Flüchtlingen an Bauern heute noch viel zu kompliziert und zu bürokratisch.
Pilotprojekt wird fortgeführt
Trotzdem bieten Bund und Bauern im Rahmen des Pilotprojekts auch in den nächsten beiden Jahren wieder jeweils 15 Flüchtlingen einen Arbeitsplatz auf einem Bauernhof an. In den Folgejahren sollen es dann viel mehr werden. Bourgeois spricht von dereinst «einigen hundert» Flüchtlingen, die auf Bauernhöfen in der Schweiz mitarbeiten sollen.
Zurzeit wirkt diese Zahl allerdings illusorisch. Flüchtlinge leben heute meistens von Sozialhilfe, obwohl der Bund und einzelne Branchen sich schon länger bemühen, ihnen Arbeit zu verschaffen. Tatsächlich aber gibt es kaum zwei Dutzend Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Flüchtlinge; sei es nun in der Gastronomie, in der Reinigungsbranche oder auf dem Bau.
Vorlehre für Flüchtlinge geplant
Man stehe erst am Anfang und müsse nun unbedingt weitermachen, sagt Heinz Gerig vom Gastronomie-Ausbildner «Hotel & Gastro» zuständig für das Thema. Nächstes Jahr soll der grosse Schub kommen. Der Bund lanciert dann eine einjährige Vorlehre für Flüchtlinge und rechnet mit bis zu 1000 Teilnehmern pro Jahr.
Ist dies nicht unrealistisch? «Nein», sagt Staatssekretär Gattiker. Vor allem dann nicht, wenn alle mitmachten und etwa die Kantone bei der Sozialhilfe strenger würden: «Wenn jemand Sozialhilfe bezieht statt zu arbeiten, obwohl Arbeitsmöglichkeiten vorhanden sind», müsse mehr Druck aufgesetzt werden, so Gattiker. Denn: «Fordern und klare Erwartungen zu wecken, gehören zu einem erfolgreichen Integrationsprozess.»
Tatsächlich gibt es auch erfolgreiche Beispiele: So kann der Eritreer beim eingangs erwähnten Thurgauer Bauer Ramser nun eine Lehre beginnen – als einer der ganz wenigen Flüchtlinge überhaupt.