«Das ist ein bemerkenswert hoher Wert», sagt Christian Stamm vom Wasserforschungsinstitut Eawag zu der Pestizid-Konzentration im Eschelisbach bei Güttingen (TG). Die «Rundschau» hat Ende Juli dort Stichproben genommen und diese von einem Vertrauenslabor in Deutschland untersuchen lassen.
Insgesamt lassen sich 21 Spritzmittel nachweisen. Gemäss Gewässerschutzverordnung gilt pro Giftstoff ein Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter. Drei Stoffe liegen deutlich darüber: Azoxystrobin mit 2,4 Mikrogramm und Azoxystrobinsäure mit 4.6 Mikrogramm. Mit 9.4 Mikrogramm überschreitet die gefundene Menge des Fungizids Fluopyram den Grenzwert um das mehr als 90fache.
Wir haben ein Problem in unseren Gewässern.
«Die Stichprobe passt ins Bild, das wir mit unseren Studien breit abgestützt sehen», so Christian Stamm vom Wasserforschungsinstitut Eawag. In Bächen und Flüssen in intensiv landwirtschaftlich genutztem Gebiet würden zum Teil bis zu 50 Giftstoffe nachgewiesen. «Wir haben ein Problem in unseren Gewässern, und man müsste Massnahmen treffen, um solche Konzentrationen zu vermeiden.»
Bundesamt für Landwirtschaft sieht kein Problem
Was sagt das Bundesamt für Landwirtschaft zu den festgestellten Messwerten? Vizedirektorin Eva Reinhard beurteilt die Messungen anders als der Wasserforscher: «Von den gemessenen Konzentrationen geht sicher kein Risiko für Mensch und Umwelt aus.» Die Werte seien zwar über dem Grenzwert der Gewässerschutzverordnung. Doch sie würden keine Gefahr darstellen, betont die Vizedirektorin des Landwirtschaftsamtes.
Ringen um neue Grenzwerte
Der Bund ist zurzeit daran, die Gewässerschutzverordnung zu revidieren. Dabei werden auch neue Grenzwerte für Pestizide festgelegt. Der Bauernverband und die chemische Industrie erhoffen sich von der Revision deutlich grosszügigere Werte.
Die Bauern am Eschelisbach betonen, dass sie ohne Pflanzenschutzmittel nicht wirtschaftlich produzieren könnten: «Das Ganze gibt einem schon zu denken. Aber wir müssen kostendeckend und in Top-Qualität produzieren», sagt Roland Müller. Er betreibt nahe am Bach eine Apfelplantage und betont, beim Spritzen alle Vorschriften eingehalten zu haben.
Pflanzen und Tiere leiden unter Pestizid-Cocktail
Die Landwirte im Einzugsgebiet des Eschelisbach bauen intensiv Obst und Beeren an. Das hat Folgen für das kleine Gewässer.
Gemäss dem Umweltamt des Kantons Thurgau geht es dem Ökosystem nicht gut. So gibt es im Bach kaum mehr Kleinlebewesen.
Für den Menschen seien die im Eschelisbach gefunden Werte nicht gefährlich, betont auch der Wasserforscher Christian Stamm. Doch der Natur setzte der Pestizid-Cocktail zu: «Wasserlebewesen sind diesen hohen Konzentrationen und auch diesen Mischungen von verschiedenen Substanzen dauerhaft ausgesetzt. Da besteht natürlich dann ein Risiko.»