«Die Regelung unseres Verhältnisses mit der Europäischen Union ist 2016 das Zentralste.» Mit dieser griffigen Aussage ist der Bundespräsident, der FDP-Bundesrat und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann in die «Präsidial-Arena» eingestiegen. Über Europa geredet wurde aber später dann doch nicht.
Thematisch steuert man lieber durch heimische Gewässer, spricht von Problemen, die den Bürgern im Land unter den Nägeln brennen: Zunehmende Arbeitslosigkeit, Zuwanderung und Grenzgänger-Problematik sowie die berufliche Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Für einen realpolitischen Einstieg sorgt Rosmarie Heilmann . Die 56-Jährige erklärt den anwesenden Politikern und Wirtschaftsführern, wie es sich anfühlt, auf 150 Bewerbungen nur fadenscheinige Absagen zu bekommen. «Und nicht einer hat mir einfach gesagt, ‹Sie sind zu alt›», kontert Heilmann den Versuch, die bisweilen altersfeindliche Einstellungspraxis von Schweizer Unternehmen zu verharmlosen.
Unterstützt wird Heilmann von der Präsidentin der Gewerkschaft Unia. Vania Alleva plädiert unter anderem für einen besseren Kündigungsschutz für Arbeitnehmer über 50 Jahre.
Die Realität ist so, dass sich heute vermehrt Menschen ab 50 Sorgen um ihre Arbeitsstelle machen.
Nichts von einem gesetzlichen Kündigungsschutz will Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer wissen. Ähnlich wie zuvor bereits der Bundespräsident argumentiert auch er mit der unternehmerischen Eigenverantwortung. Ein Kündigungsschutz könnte von den Arbeitgebern umgangen werden und die Einstellungschancen von älteren Arbeitnehmern im Gegenteil nochmals verschärfen.
Karrer fordert vielmehr ein entsprechendes Umdenken in den Betrieben. «Die Anstrengung der Unternehmen muss dahin gehen, dass solche Gesetze gar nicht nötig sind», verteidigt Karrer sein liberales Prinzip.
Gesetzeslücken für Grenzgänger schliessen
Von den Arbeitslosen ist es nicht weit bis zu den Grenzgängern, die von vielen Bürgern mit zunehmendem Argwohn bedacht werden. Eine Auffassung, die Wirtschaftsminister Schneider-Ammann zu zerstreuen versucht.
Mit den flankierenden Massnahmen stehe man in Bezug auf die Probleme mit der Personenfreizügigkeit insgesamt gut da, sagt Schneider-Ammann. Das lässt der Auns-Präsident und St. Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann nicht gelten.
Es wird oft lieber ein Günstiger aus dem Ausland geholt, statt dass man in der Schweiz jemanden ausbildet.
«Wir hatten 2015 100'000 neue Zuwanderer – das waren nicht alles Fachkräfte», reagiert Reimann auf Karrers Votum, wonach in den letzten zehn Jahren 600'000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien – auch für Schweizer.
Er habe nichts gegen die Beschäftigung notwendiger ausländischer Fachkräfte, entgegnet Reimann. Er und auch die SVP wollen einfach die Inländervorrang-Regelung zurückhaben, die sich so viele Jahre zuvor bewährt habe: Stünde für eine Stelle ein Schweizer zur Verfügung, müsse dieser vor dem Ausländer eingestellt werden.
Rückendeckung erhält Reimann bisweilen vom Präsidenten des Schweizerischen Baumeisterverbandes. Gian-Luca Lardi weitet das Thema «Bevorzugung am Markt» auf die Grenzgänger aus. Die Politik müsse die Gesetzeslücke der selbstständig erwerbenden Grenzgänger unbedingt stopfen, forderte Lardi.
Dass der selbstständig erwerbende Grenzgänger jede Lohndumping-Sperre straflos umgehen könne, übe grossen Druck auf die Branche aus, sagt Lardi. Und die Solidarhaftung für Erst-Auftraggeber greife eben nicht, wenn der Fehlbare direkt beim Kleinkunden vorstellig werde.
Nicht um Fehlbare, aber um systemische Fehler geht es schliesslich beim dritten Themenblock, der Gleichberechtigung im Arbeitsmarkt von Mann und Frau.
Vaterschaftsurlaub von den Ferien abbuchen
Auch hier zeigt sich Bundespräsident Schneider-Ammann zuversichtlich, dass der bislang eingeschlagene, gute Weg weitergeführt wird. «Der Bundesrat hat dem Parlament vor zwei Jahren empfohlen, für die Kinderbetreuung 100 Millionen Franken zu sprechen. Im Moment läuft eine parlamentarische Diskussion über weitere 120 Millionen Franken», untermauert der Wirtschaftsminister seine Vorstellung vom richtigen Weg.
Für Markus Theunert geht dieser Einsatz zu wenig weit. Der Präsident des Dachverbandes Schweizer Männer- und Väterorganisationen betrachtet die Umsetzung der beruflichen Gleichberechtigung nicht nur als blossen Akt der Frauenförderung.
«Die Familie ist ein gesellschafts-solidarisches Projekt, das gleichermassen die Arbeit und die Freizeit unter einen Hut bringen muss», gibt Theunert zu bedenken. Darum brauche es auch Massnahmen für die Männer.
Seine Forderung nach 20 Tagen Vaterschaftsurlaub geht dann aber auch seiner Mitstreiterin im Thema zu weit. Die selbstständige Marketingberaterin Chantal Bürge verweist vielmehr auf die Notwendigkeit, seitens der Unternehmen mehr Anreize für Teilzeitarbeit und Job-Sharing zu schaffen. «Jener Vater, der die ersten paar Wochen seines Kindes unbedingt miterleben will, der wird sich diesen Urlaub nehmen.»