Esra Weill sagt, der Schmerz sei nur kurz. Viele Buben würden ihn kaum spüren. Schon siebenhundert Knaben hat der jüdische Buchhändler aus Basel beschnitten. Dafür hat er eine Lizenz, erworben in Israel. Die «Rundschau» hat Weill bei seiner rituellen Beschneidung begleitet.
Ein Verwandter hält das Kind fest auf seinem Schoss, einer flösst ihm zur Beruhigung Traubensaft ein. Das Kind weint. Esra Weill singt rituelle Lieder, trägt eine betäubende Crème auf, löst die Vorhaut, zieht sie in die Länge und schneidet sie durch.
Mit Tränen in den Augen nimmt die Mutter nach ein paar Minuten den Kleinen entgegen. «Für die Eltern ist es schlimmer als für die Kinder», sagt der Beschneider. Er findet, es ist nicht wichtig, dass man wartet, bis die Kinder alt genug sind und ihrer eigenen Beschneidung zustimmen. «Die Eltern fragen das Kind ja auch nicht, ob es ins Ballett will.»
Brief an die Kinderärzte
«Das ist nicht vergleichbar», sagt Christoph Geissbühler, Lehrer aus Bern. «Was abgeschnitten wird, ist ein hoch sensibler Teil vom Geschlechtsorgan des Mannes.» Geissbühler hat einen Verein gegen Beschneidungen gegründet – «Pro Kinderrechte». Gegenwärtig schreibt er die Kinderärzte im Land an. Er will sie motivieren, Beschneidungen nicht mehr durchzuführen.
Tatsächlich gibt es viele Kinderärzte, die Kinder gegen ihre Überzeugung am Genital operieren. In den Spitälern Aarau und Baden sind es rund zweihundert Knabenbeschneidungen pro Jahr. Davon ein Dutzend wegen Vorhautverengung, die restlichen aus rituellen Gründen.
«Die Natur erfindet nichts, was nicht sinnvoll ist», sagt Kinderchirurg Andreas Dietl vom Spital in Baden. In langen Gesprächen versuche er muslimischen Eltern auszureden, ihren Buben beschneiden zu lassen. Meist vergeblich. Dann operiert Dietl trotzdem. Sonst, so sagt er, würden diese Leute zu illegalen Beschneidern gehen. Und er müsse sich dann als Arzt um die Nachblutungen kümmern, wenn die Operation schlecht ausgeführt worden sei.
Eine rechtliche Grauzone
Bei den Moslems heisst es, Beschneidungen würden vor allem aus hygienischen Gründen durchgeführt. Imam Bilal Yildiz: «Der Urin wird im Islam als unrein eingestuft. Wenn nur ein wenig in seiner Unterhose bleibt, darf er nicht beten. Wenn ein Moslem fünfmal am Tag das Gebet verrichten soll, dann muss er jedesmal seine Unterhose wechseln.»
Juristen haben für diese Erklärung kein Verständnis. Der emeritierte Strafrechtsprofessor Martin Killias meint: «Es ist indiskutabel, eine Beschneidung ist eine Körperverletzung. Es kommt nicht in Frage, dass man sagt, religiöse Grundsätze wiegen schwerer als Menschenrechte von kleinen Kindern.»
In der Schweiz ist Mädchenbeschneidung verboten. Allerdings ist dies auch ein viel drastischerer Einschnitt: UNICEF und WHO sind vehement gegen eine Verstümmelung des weiblichen Genitals. Die Knabenbeschneidung kommt im schweizerischen Gesetz nicht vor. Sie bewegt sich in einer Grauzone.