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Pirmin Schwander: «Gesetze gelten auch für Behörden»
Aus Rundschau vom 31.08.2016.
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Schweiz Schwander: «Das ist schlimmer als damals mit den Verdingkindern»

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Pirmin Schwander, weil er eine Frau unterstützt hat, die ihr Kind nicht der Kinderschutzbehörde Kesb übergeben wollte. «Jemandem die Kinder wegzunehmen, das darf es nur im äussersten Notfall geben», argumentiert Schwander an der «Rundschau»-Theke.

Nationalrat Pirmin Schwander (SVP/SZ), soll eine Mutter, die ihr Kind vor den Behörden versteckt hielt, auf ihrer Flucht unterstützt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt darum gegen ihn und weitere Personen wegen Gehilfenschaft zur Entführung Minderjähriger.

Pirmin Schwander (links) und Sandro Brotz (rechts) an der Theke der «Rundschau»
Legende: Pirmin Schwander (links) und Sandro Brotz an der Theke der «Rundschau» SRF

An der «Rundschau»-Theke stellt sich Schwander den Fragen von Moderator Sandro Brotz: Was hat Sie angetrieben, eine Ihnen unbekannte, psychisch labile Frau zu unterstützen, die mit ihrer kleinen Tochter untergetaucht ist?

Primin Schwander: Wir haben im Parlament beim Thema Verdingkinder über Missstände beraten, bei denen Eltern die Kinder grundlos weggenommen wurden. Und heute passiert das gleiche vor unserer Haustüre. Ich kann nicht wegschauen, wenn Eltern die Kinder weggenommen werden, denn das ist ein innenpolitischer Missstand.

Ich habe mir das bildlich vorgestellt: Da ist eine Frau mit ihrem Kind auf einen Kirchturm gestiegen und will hinunterspringen. Da braucht es unten am Boden keine Leute mit dem Strafgesetzbuch in der Hand, die darüber diskutieren, ob diese Frau nun eine Straftat begeht oder nicht. Da braucht es Leute, die die Frau unversehrt da herunterholen.

Der Frau hat man das Kind entzogen, weil sie das Kind nicht in die Schule schickte. Die Kinderschutzbehörde Kesb hat sich bemüht, aber die Frau hat nicht kooperiert. Was hat die Kesb denn falsch gemacht?

Die Frau hat eine 15-jährige Vergangenheit, in der alles schief gelaufen ist. Die Behörden und alle Massnahmen haben versagt. Man hat sie sitzen gelassen. Heute sagt man einfach, sie habe nicht kooperiert.

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Feindbild Kesb: Die Mission des Pirmin Schwander
Aus Rundschau vom 31.08.2016.
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Aber die Frau hatte andere Vorstellungen. Und man muss mit dieser Person zuerst Vertrauen aufbauen. Aber heute bekommt man einfach einen Beistand vorgesetzt. Das entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Bei der Parlamentsberatung, wo ich 2008 dabei war, herrschte Einigkeit, dass man solche Fälle vermeiden will. Jemandem die Kinder wegzunehmen, das darf es nur im äussersten Notfall geben.

Bei diesem Fall hat man der Frau das Kind nach der Geburt weggenommen. Einen solchen Entscheid zu fällen, verdient eigentlich 20 Jahre Haft. Das ist schlimmer als damals mit den Verdingkindern.

Wir sind uns einig, dass Kinder in einem Umfeld mit stabilen und verlässlichen Bezugspersonen aufwachsen sollen. Ist das nicht auch in einer Pflege- oder Grossfamilie möglich?

Der Grundsatz muss sein, dass ein Kind die Wärme der Eltern erfahren darf. Diese Wärme kann niemand in einem Heim geben, das darf er nicht einmal. Die Frau hatte in der Vergangenheit einen Fehler gemacht und nun musste man beim zweiten Kind einschreiten, bevor sie wieder einen Fehler macht. Aber laut dem Gutachten hat eine einzige Person allein entschieden, dass man der Frau das Kind nach der Geburt wegnimmt. Wir haben damals im Parlament festgelegt, dass es für einen solchen Entscheid ein Dreiergremium braucht.

Kritik an der Kesb ist legitim, aber gefährlich wird es, wenn daraus eine persönliche Mission wird. Der Eindruck ist: In diesem Fall haben Sie sich komplett verrannt und die Frau voll ins Messer laufen lassen. Die Frau sitzt im Gefängnis, Sie nicht.

Der Fall kam zu mir, als die Frau und das Kind schon «auf dem Kirchenturm standen». Die Frau ging Ende Oktober weg und versuchte mich damals noch anzurufen. Erster Kontakt war dann im Januar 2016. Da kann keine Rede davon sein, dass ich die Frau ins Messer laufen liess. Wenn ich im August 2015 mit ihr hätte sprechen können, hätte man die Situation in den Griff bekommen.

Gegen Sie und das Unterstützerkomitee läuft ein Strafverfahren wegen Gehilfenschaft zur Entführung von Minderjährigen. Sie setzen sich über geltende Gesetze hinweg – als Volksvertreter, der solche Gesetze macht. Gilt das Gesetz nur dann, wenn es für Sie richtig ist?

Gesetze gelten auch für Behörden. In diesem Fall hat die Behörde aber einen Präsidialentscheid gefällt, zu dem sie kein Recht hatte. Dieser Fall hätte zuerst einmal rechtskräftig entschieden werden müssen und nicht einfach verfügt werden durch eine Behörde.

Ihr Vergleich mit Verdingkinder banalisiert das, was vor 40 Jahren mit verschacherten Kindern passiert ist.

Auch vor 40 Jahren gab es Leute, die darauf aufmerksam gemacht haben, was mit Verdingkindern passiert. Aber man hat nicht zugehört. Jetzt passiert genau das Gleiche. Weil man glaubt, so etwas passiere nicht mehr. Mir wurden aber schockierende Erfahrungsberichte zugetragen.

Wenn wir als Politiker sagen, das geltende Gesetz gilt für alle, insbesondere auch Behörden und wenn ich sehe, dass es Notfälle gibt, kann ich nicht einfach daran vorbeilaufen. Ich und jeder gewählte Volksvertreter haben versprochen, dass Gesetze, die wir erlassen, auch eingehalten werden und dass es keine Behördenwillkür gibt. Dieser Fall ist ein dunkles Kapitel.

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