Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erhebt sein Veto gegen die geplante Wegweisung eines sudanesischen Asylbewerbers. Die Richter in Strassburg halten die Gefahr für zu gross, dass der Mann bei seiner Rückschaffung von den sudanesischen Behörden misshandelt oder gefoltert werden könnte.
Der Mann war vor 10 Jahren in die Schweiz geflüchtet und stellte hier ein Asylgesuch. Er erzählte, in seiner Heimat Nord-Darfur im Sudan misshandelt geworden zu sein. Das Bundesamt für Migration lehnte das Asylgesuch ab. Ein Sprachexperte war zum Schluss gekommen, der Mann stamme gar nicht aus Darfur, sondern aus einer anderen Region im Sudan.
Schweiz lehnte auch zweites Asylgesuch ab
In der Folge tauchte der Mann offenbar unter. Die Behörden gingen davon aus, er habe die Schweiz freiwillig verlassen. 2009 stellte der Mann ein zweites Asylgesuch. Diesmal mit der zusätzlichen Begründung, er sei in einer sudanesischen Rebellenbewegung aktiv und dort der Menschenrechtsbeauftragte.
Tatsächlich nahm er in dieser Funktion auch an einer Konferenz in Genf teil und trat in einem Beitrag eines regionalen TV-Senders auf. Für die Schweizer Behörden waren diese Aktivitäten bewusst inszeniert, um sich als politischer Aktivist zu profilieren und so ein Bleiberecht in der Schweiz zu erwirken. Weil der Mann den Entscheid an den Menschenrechtsgerichtshof weiterzog, blieb er in der Schweiz.
Ausschaffung verstösst gegen Folterverbot
Die Richter in Strassburg beurteilen den Fall jetzt anders: Für sie ist es nicht entscheidend, aus welchen Motiven der Mann sich politisch engagiert hat. Tatsache sei, dass die sudanesischen Behörden die Rebellenbewegung genau beobachteten. Gefährdet seien alle Menschen, die in irgendeiner Form gegen das Regime opponierten.
Es sei möglich, dass der Sudan auf das politische Engagement des Mannes aufmerksam geworden sei und ihn bei seiner Rückkehr verhaften, misshandeln und foltern würde. Deshalb dürfe die Schweiz ihn nicht ausschaffen. Eine Ausschaffung würde gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verstossen, welche die Schweiz ratifiziert hat.
Die Schweiz muss dem Mann mit rund 10'000 Franken entschädigen. Theoretisch könnte sie das Urteil noch an die grosse Kammer des Menschenrechtsgerichtshof weiterziehen. Da das Urteil einstimmig gefallen ist, sind die Erfolgschancen allerdings gering.