Die Zahl der Wölfe, die derzeit in der Schweiz leben, schätzt Experte Urs Breitenmoser auf 30 bis 40. Allerdings konnten sich erst drei Rudel etablieren: Im Calanda-Massiv GR, im Valle Morobbia TI und in der Augstbord-Region VS.
Es sei aber «nur eine Frage der Zeit, bis sich auch andernorts Familienverbunde bilden», sagt der Leiter des Vereins Kora, der im Auftrag des Bundes das Monitoring von Grossraubtieren durchführt, gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
«Wolf hat einen schlechten Ruf»
Der Forscher stützt seine Aussage auf die neue Kora-Untersuchung «Wolf in the Alps». Diese zeigt: Der Lebensraum und das Beuteangebot in der Schweiz böte Potenzial für 17 Rudel. «Wälder und Heiden sind das Habitat der Wölfe. Davon haben wir in der Schweiz und im gesamten Alpenraum genügend», sagt Breitenmoser. Zudem seien die Raubtiere sehr anpassungsfähig.
Abhängig ist die Ausbreitung jedoch nicht nur von der ökologischen Tragfähigkeit, sondern auch von der Akzeptanz der Bevölkerung. Zwar sei in Umfragen eine Mehrheit für die Rückkehr des Wolfes, doch gleichzeitig haben viele Menschen Angst. «Der Wolf hat einen schlechten Ruf», sagt Breitenmoser.
Extrem seltene Attacken gegen Menschen
Dabei seien Angriffe auf Menschen extrem selten. Die wenigen belegten Attacken in Europa sind auf Einzeltiere zurückzuführen, die entweder in Bedrängnis waren oder an Tollwut litten. Die Einwanderung des Wolfs aufzuhalten, ist schwierig. Bereits heute leben im Alpenraum Hunderte Tiere. Es kam schon vor, dass ein Wolf in wenigen Monaten bis 1000 Kilometer gewandert ist, um einen Partner zu finden und dann eine Familie zu gründen.
Die Kora-Studie gehe deshalb davon aus, dass die Schweiz in rund 20 Jahren um die 17 Rudel haben könnte, berichtet die Zeitung weiter. Allerdings steht die Rückkehr des Wolfs in der Schweiz in einem Spannungsfeld: Die Bevölkerung sieht ihre Freizeitaktivität in Wald und Bergen bedroht, Nutztierhalter fürchten um ihre Schafe und Kühe, die Jäger sehen den Wolf als Konkurrenten.
Ohne Raubtiere sind unsere Wälder nicht im Gleichgewicht
Klar willkommen heissen dagegen die Förster das Raubtier. «Ohne Raubtiere sind unsere Wälder nicht im Gleichgewicht», sagt Maurus Frei, Leiter der Arbeitsgruppe Wald und Wildtiere des Schweizerischen Forstvereins. Hirsch, Reh und Gämsen verhindern in bedeutenden Teilen des Schweizer Waldes, dass sich dieser natürlich verjüngen kann. «Werden die kleinen Bäume zu stark abgefressen, fehlen in Zukunft die grossen, die uns und unsere Dörfer vor Naturgefahren schützen.»
Frei zeigt sich gegenüber der Zeitung überzeugt: «Wie die Jäger können deshalb auch der Luchs und der Wolf einen Beitrag zur Reduktion hoher Wildbestände leisten und damit zur Sicherung der Waldleistungen beitragen.»