Um was geht es? Menschen, die komplett gelähmt sind – also auch ihre eigenen Augen nicht bewegen können – leiden unter dem sogenannten «Locked-in»-Syndrom. Bislang gelang es diesen Patienten nicht mit der Aussenwelt zu kommunizieren. Dies erschwerte die Pflege und Kommunikation der Betroffenen massgeblich.
Welche Entdeckung wurde bei der Erforschung der Krankheit gemacht? Einem Forschungsteam des neurowissenschaftlichen Instituts Wyss center in Genf ist bei der Behandlung der Krankheit ein Durchbruch gelungen: So können mittels einer neuen Technologie erstmals Ja- und Nein-Antworten des Patienten erkannt werden.
Wie funktioniert diese neue Technologie? Eine Probandin stülpt sich eine Haube mit 16 Sensoren über den Kopf. «Dabei fliesst Licht durch ihre Schädeldecke. Je nachdem, wie viel Sauerstoff daraufhin durch die Blutgefässe des Körpers fliesst, wird dabei mehr oder weniger Licht absorbiert», erklärt Neurowissenschaftler Niels Bierbaumer – und dieser unterschiedliche Sauerstoffgehalt im Blut unterscheidet sich, wenn die Probandin «Ja» oder «Nein» denkt. Niels Bierbaumer gilt als einer der renommiertesten Forscher auf diesem Gebiet.
Dargestellt wird der Sauerstoffgehalt derweil auf einem Computerbildschirm mit roten und blauen Kurven. Dabei bedeutet mehr Sauerstoff und eine rote Kurve ein «Ja». Weniger Sauerstoff und eine blaue Kurve heisst «Nein».
Allerdings sehen diese Kurven bei jedem Patienten unterschiedlich aus und können sich täglich verändern. Das System muss daher vor jeder Befragung neu eingestellt werden. Dazu werden zuerst Fragen mit eindeutigen Antworten gestellt. «Ist Bern die Hauptstadt der Schweiz? Jetzt kommt ein Ja», freut sich Bierbaumer auf die Reaktion der Probandin.
Wenn der Computer danach berechnet hat, dass die Quote der korrekten Antworten bei über 70 Prozent liegt, können die wirklich interessanten Fragen gestellt werden. Das Bahnbrechende der Technologie ist, dass Patienten, die nicht mehr kommunizieren konnten, nun ihr Befinden wieder ausdrücken können.
Wie viele Patienten konnten von der neuen Technik profitieren? Vier Patienten testeten und nutzen diese neue Technologie. Sie alle leiden unter der degenerierenden Nervenkrankheit ALS und sind im Endstadion komplett gelähmt – sogenannt «Locked-in». Aber, was entscheidend ist, sie sind noch bei Bewusstsein und nicht im Wachkoma. Selbst Patienten könnten nach schweren Wirbelsäulenverletzungen und Hirnschlägen von dieser neuen Kommunikationsmöglichkeit profitieren.
Das Ziel ist, dass die Patienten einmal auch selbst Gedanken äussern können oder ein Wort formulieren können.
Auf den Lorbeeren ausruhen, will sich Bierbaumer im Zuge der erfolgreichen Studie aber nicht – im Gegenteil: Der Wissenschaftler möchte alles noch alltagstauglicher machen und verfeinern. «Das Ziel ist, dass die Patienten einmal auch selbst Gedanken äussern können oder ein Wort formulieren können. Dafür müssen wir aber wahrscheinlich Elektroden ins Gehirn implantieren, um dies genau erfassen zu können», sagt Nierbaumer. Letztlich könnten die Patienten dann selbst entscheiden, welche Frage sie stellen möchten.