Vor anderthalb Jahren noch wollte der Nationalrat Druck machen auf die Betreiber von Atomkraftwerken. Nach 40 Jahren Betriebszeit hätten sie ein umfassendes Sicherheitskonzept vorlegen müssen. Hätte dieses nicht befriedigt, wären die AKW vom Netz genommen worden.
Heute nun hat der Nationalrat wie zuvor der Ständerat dieses Langzeitbetriebskonzept fallengelassen. Damit ist jegliche Beschränkung für bestehende Atomkraftwerke vom Tisch.
Auch sonst hat sich seit Fukushima in der Energielandschaft vieles verändert. Energieministerin Doris Leuthard malt ein düsteres Bild vom Zustand der Schweizer Stromunternehmen: «Es ist nur noch ein kleiner Teil bestehender Grosskraftwerke kompetitiv und profitabel. Das ist die Ausgangslage.»
Es ist nur noch ein kleiner Teil bestehender Grosskraftwerke kompetitiv und profitabel.
Der tiefe Ölpreis und die massive Subventionierung von alternativen Energien wie Wind oder Sonne – vor allem bei unserem nördlichen Nachbarn Deutschland – haben dazu geführt, dass zurzeit keine einzige Form der Stromerzeugung mehr wirklich rentiert. Und das werde mindestens vier, fünf Jahre lang so bleiben, prognostiziert die Energieministerin.
Die Energiestrategie hat nur noch einen einzigen Kitt, und der heisst Subvention.
Die eidgenössischen Räte greifen in solchen Fällen zum bewährten Mittel: Finanzielle Unterstützung durch den Staat. Die Energiestrategie habe nur noch einen einzigen Kitt, und dieser heisse «Suvention», stellt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen fest.
Marktprämie für Wasserkraft
Nicht nur neue erneuerbare Energien wie Sonne, Wind oder Wasserkraft sollen durch noch üppigere Subventionen gefördert werden. Auch die bestehenden Wasserkraftwerke können auf Bundesmanna zählen. Der Nationalrat hat sich mehrheitlich für ein neues System mit einer Marktprämie für die Wasserkraft ausgesprochen, das der Ständerat noch absegnen muss.
Wasserkraftwerke, die auf dem Markt für ihren Strom weniger Geld erhalten, als sie für die Produktion ausgegeben haben, könnten demnach mit einer Prämie von maximal einem Rappen pro Kilowattstunde rechnen.
Wie die Landwirtschaft
Die Alternative seien Importe aus Europa, sagt Leuthard an die Adresse der Kritiker dieses Modells. Sie vergleicht die Energiebranche mittlerweile gar mit der Landwirtschaft: Auch diese könne ohne staatliche Unterstützung nicht überleben.
Einwände, immer höhere Abgaben auf dem Strompreis seien für Schweizer Unternehmen im Zeitalter der Frankenstärke Gift, wischt sie vom Tisch. Für die Wirtschaft seien die Aufschläge bloss «Peanuts»: Die Hälfte zahlten ohnehin die Privathaushalte über den Strompreis und nicht die Wirtschaft.
Und auch der Steuerzahler wird bluten müssen – zugunsten der Hauseigentümer. Diese nämlich sollen Investitionen in ihre Gebäude, die dem Energiesparen oder dem Umweltschutz dienen, von den Steuern abziehen können. Und das erst noch verteilt auf vier Jahre.
Dreister kann man die hohle Hand gegenüber dem Fiskus gar nicht aufhalten.
Steuerausfälle in Milliardenhöhe bei Bund und Kantonen sind die Folge, für die andere Steuerpflichtige werden aufkommen müssen. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran ist empört: «Dreister kann man die hohle Hand gegenüber dem Fiskus gar nicht aufhalten.»
Forfait beim effizienten Energieverbrauch
Dafür hat der Nationalrat einen anderen Teil der Energiestrategie einfach getilgt: Lieferanten von Elektrizität sollen nicht dazu verpflichtet werden, den effizienten Verbrauch von Energie zu fördern. Der Bundesrat hatte dies ursprünglich als wesentlichen Pfeiler seiner Energiestrategie bezeichnet. Heute aber mag sich nicht einmal mehr Bundesrätin Leuthard dafür einsetzen. Die Modelle seien zu wenig ausgereift, gesteht sie ein.
So bleibt die Energiestrategie am Schluss vor allem ein grosser Subventionstopf, aus dem sich alle üppig bedienen können: vom Betreiber des grossen Wasserkraftwerks über den Privathaushalt mit Solaranlage auf dem Dach bis hin zum Hauseigentümer, der eine Sanierung durchführt.