Der Nachrichtendienst soll mehr Kompetenzen erhalten. Er soll Telefone abhören, in Computer eindringen und Datenströme im Internet scannen dürfen. Der Nationalrat hat dem neuen Nachrichtendienstgesetzes mit 119 Ja- zu 65 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen zugestimmt..
Keine bürgerliche Zustimmung gefunden
Gegen das Gesetz stellten sich zunächst die Grünen, die vor einem «Lauschangriff» warnten. Die SP zeigte sich zunächst diskussionsbereit und wollte das Gesetz mit diversen Minderheitsanträgen aus ihrer Sicht verbessern. Da die Anträge abgelehnt wurden, hat die SP-Fraktion während der Debatte die Seiten gewechselt und beschlossen, das Gesetz nicht anzunehmen.
«Wir wollten die Kompetenzen des Nachrichtendiensts eingrenzen und die demokratische Aufsicht und Transparenz stärken. Doch die Bürgerlichen wollen davon nichts wissen», kritisiert SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher.
Daniel Vischer (Grüne/ZH) stellte fest, die persönliche Freiheit sei das kostbarste Gut. Er befürchtet, dass der NDB präventiv Räume verwanzt, Telefone abhört und in Computersystem eindringt. «Der Staatstrojaner soll ermöglicht werden.» Und dies bei Personen, gegen die kein Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliege, betont Vischer.
Die «Bösen» schlüpfen durch
Die Vorlage überschreite die Grenze des Nötigen, so Vischer. Bundesrat Maurer spreche von 12 Personen, die mit dem neuen Gesetz überwacht würden. Dafür lohne sich der Aufwand nicht, ist der Grüne überzeugt. «Wer garantiert, dass die richtigen 12 Personen überwacht werden? Das Gesetz nützt nur, wenn Hunderte überwacht werden – und dann ist es nicht mehr verhältnismässig.»
Auch sein Parteikollege Balthasar Glättli spricht sich gegen das neue Gesetz aus. Er ergänzt, dass die Internetüberwachung jede Person in der Schweiz betreffen würde. Der Nachrichtendienst werde zu einer Mini-NSA und dürfe im Internet die Daten aller überwachen und auf Schlagworte absuchen. Die Einzigen, die durch das Netz schlüpfen, so Glättli, seien diejenigen, die wirklich etwas vorhätten. «Die werden die Informationen verschlüsseln.»
Die Befürworter argumentierten mit der Gefahr terroristischer Anschläge, die zugenommen habe. Ohne Sicherheit gebe es keine Freiheit, lautete der Tenor. Die Schweiz dürfe nicht zu einem Mekka für Terroristen werden – und nicht zu einem Tummelfeld fremder Nachrichtendienste.
Nationalrat folgt Ueli Maurers Vorgaben
Der Solothurner SVP-Nationalrat Roland F. Borer sagt, man dürfe die Kabelnetze nicht einfach aussen vor lassen. Diese würden gegenüber dem Funknetz immer wichtiger. Man müsse hier Kontrollen ermöglichen. Dass der Nachrichtendienst den Bereich der Kabelnetze missbrauchen könnte, glaubt Borer nicht. Die klaren Kontrollstrukturen würden dies verhindern.
«Wenn wir hier nicht tätig werden, ermöglichen wir den Terroristen und Kriminellen, ihr Unwesen zu treiben», sagte Nadja Pieren (SVP/BE). Walter Müller (FDP/SG) befand, das Gesetz habe nur mit den neuen Kompetenzen Zähne. Daniel Vischer bezichtigte er der «Demagogie», da er die Bevölkerung glauben mache, es werde ein Überwachungsstaat installiert.
Der Nationalrat folgte Maurer in fast allen Punkten. Er zeigte sich auch damit einverstanden, dass der Bundesrat den Nachrichtendienst in «besonderen Lagen» mit Tätigkeiten beauftragen darf, die über den eigentlichen Staatsschutzauftrag hinausgehen, beispielsweise zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzplatzes.
Kontrollinstanzen müssen zustimmen
Der Rat lehnte nicht nur die Streichung einzelner Kompetenzen ab. Er verzichtete auch darauf, beim Genehmigungsverfahren weitere Hürden einzubauen. Hier folgte er ebenfalls dem Bundesrat. Demnach muss jeweils ein Richter des Bundesverwaltungsgericht und der Verteidigungsminister zustimmen, wenn der Nachrichtendienst jemanden abhören will. Anträge für eine weitere Instanz oder für ein richterliches Dreiergremium lehnte der Rat ab.
Verteidigungsminister Ueli Maurer selbst hatte vor der Gesamtabstimmung an die Nationalräte appelliert, das Gesetz anzunehmen. Denn dieses greife dort ein, wo die Sicherheit des Landes nachhaltig gefährdet werde.
Die Vorlage geht jetzt an den Ständerat. Die SP und auch Vertreter der Grünen haben angekündigt, das Referendum ergreifen zu wollen, sollte die Kleine Kammer nicht die gewünschten Änderungen doch noch vornehmen.