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Session «Insieme-Effekt»: Wie der Skandal mehr Transparenz bringt

Neue Zahlen zeigen, wie sich der IT-Beschaffungsskandal «Insieme» auf die Vergabepraxis der Bundesverwaltung ausgewirkt hat. Die Transparenz steigt – aber ebenso die Kosten für geplante IT-Projekte.

Als im Sommer 2012 das Softwareprojekt der Eidgenössische Steuerverwaltung «Insieme» abgebrochen wurde, war der Aufschrei gross. Zwölf Jahre Arbeit und 116 Millionen Franken Projektbudget waren in den Sand gesetzt worden, bevor die Aufsicht einschritt. Die Folge des Skandals: Der zuständige Direktor wurde entlassen und eine Untersuchungskommission eingesetzt. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag im Nationalrat diskutiert.

Eine Analyse von SRF zeigt, dass der Skandal aber auch einen positiven Effekt hat: Seit dem Sommer 2012 werden deutlich mehr Aufträge ausgeschrieben und publiziert als zuvor. So wurden 25 Prozent mehr Aufträge vergeben. Die Gesamtsumme der öffentlich ausgeschriebenen Aufträge hat sich in zwei Jahren sogar verdreifacht. Die Analysen basieren auf sämtlichen Daten der offiziellen Beschaffungsplattform des Bundes, Simap.ch, die alle Vergaben über 230‘000 Franken publiziert.

Mehr Transparenz im Grauzonenbereich

«Insieme» hat der Transparenz der Bundesbeschaffungen offenbar Aufschwung verliehen. Doch was bedeutet das konkret? Markus Tanner ist Vorstandsmitglied von Simap.ch und Angestellter des Staatsekretariats für Wirtschaft (Seco). Er bestätigt den «Insieme-Effekt» und erklärt die steigenden Zahlen unter anderem mit den Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) sowie der Finanz- und Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte. Deren Druck hatte eine «rasch greifende Korrektur» zur Folge.

Datenanalyse

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Die untersuchten Daten basieren auf sämtlichen Zuschlägen der Bundesverwaltung, die auf Simap.ch von 2009 bis Mitte November 2014 publiziert wurden. Das Gesamtvolumen der Zuschläge kann auch Kosten enthalten, die über mehrere Jahre anfallen. Teilweise beinhalten sie maximale Kostendächer, die nie ausgereizt werden.

Der Anstieg um 25 Prozent sei gemäss Tanner eine «Berichtigung der bis anhin in einem ‹Grauzonenbereich› getätigten Beschaffungen, welche oft nicht korrekt ausgeschrieben wurden.» Die Folgen dieser Entwicklung sind durchaus positiv zu bewerten: Mehr öffentlich ausgeschriebene Aufträge fördern die offene Marktwirtschaft und stärken die Einhaltung der Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO).

Trotzdem ist im Beschaffungswesen noch lange nicht alles im grünen Bereich. SVP-Nationalrat Pirmin Schwander sagte am Donnerstag in der grossen Kammer, die Aufdeckungen im Insieme-Skandal seien nur «die Spitze des Eisbergs.» Man solle in Zukunft verstärkt auf die Kosten schauen. Dies ist besonders bei den Beschaffungen von Informationstechnologie dringend nötig.

Wie die SRF-Analyse zeigt, ist die Gesamtsumme der vergebenen IT-Aufträge im Jahr 2014 auf eine Rekordhöhe gestiegen. So wurden dieses Jahr Aufträge im Gesamtwert von 1,9 Milliarden Franken vergeben. Unter anderem vergab das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) ca. 178 Millionen für «strategische Partnerschaften im Bereich Projektmanagement von 2014 – 2017» an sechs verschiedene Unternehmen.

Im IT-Bereich bis zu 220 Millionen freihändig vergeben

Im Jahr 2014 wurden Aufträge im Bereich Informationstechnologie im Gesamtwert von 220 Millionen freihändig vergeben. Das heisst, dass die Aufträge ohne Ausschreibung direkt an einzelne Firmen gingen. Bruno Gygi, Leiter des Kompetenzzentrums Beschaffungswesen beim Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL), wendet ein, dass diese Praxis nicht grundsätzlich verboten sei. Mit Begründung – wenn es zum Beispiel an technischen Alternativen fehlt oder das Projekt besonders dringlich ist – dürften Aufträge unter der Hand vergeben werden. Diese Begründungen wurden auch im Fall «Insieme» besonders häufig bemüht. Mit fatalen Konsequenzen.

Audio
Der «Insieme-Effekt»: Lehren aus dem Debakel
aus Echo der Zeit vom 11.12.2014. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 12 Sekunden.

Deshalb fordern Parlamentarier, dass Massnahmen ergriffen werden. So soll die Führung der Bundesverwaltung künftig der Informatik eine höhere Bedeutung einräumen. Ausserdem sollten die Entscheidungsträger «ein Mindestmass an Informatikkenntnissen» aufweisen. Denn «Insieme», so sagte Nationalrätin Barbara Gysi als Stellvertreterin der zuständigen Untersuchungskommission, sei «letztlich wegen Mängeln in der Führung und Aufsicht» gescheitert.

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