Kann man die Telefonverkäufe den Online-Verkäufen tatsächlich gleichsetzen? Die kleine Kammer jedenfalls bejahte im Sommer diese Frage und begrüsste die Ausweitung der Vorlage auf Online-Verträge deutlich.
Im Nationalrat hingegen blieb diese Definition des Fernabsatzgeschäftes umstritten. Erst nach längerer Debatte trat die Kammer auf die Vorlage ein. Von unnötiger Bevormundung mündiger Bürgerinnen und Bürger war zuvor die Rede. Es sei nicht nötig, die Konsumenten noch mehr vor sich selbst zu schützen. Gerade am Computer sei es dem Kunden möglich, in aller Ruhe zu überlegen.
«Telefonische Verbindungen» nötig
Schliesslich überwogen die Argumente der Skeptiker. Mit 95 zu 84 Stimmen folgte der Nationalrat einer Minderheit. Er beschloss, die Widerrufsfrist zwar für Telefonverkläufe auf 14 Tage zu verddoppeln, aber dies nicht zur Regel für den Online-Handel zu machen. Die 14-Tage-Regel soll somit nur gelten, wenn im Vertriebssystem «telefonische Verbindungen» verwendet werden.
Diese 14-Tage-Frist für den Online-Handel gilt seit Mitte Jahr in der Europäischen Union, was in der Praxis zu einer gewissen Benachteiligung von Schweizer Komnsumenten führen könnte. Den Mindestwert der Ware oder des Geschäfts für einen Widerruf beliess der Rat bei 100 Franken. Eine Minderheit wollte diesen auf 200 anheben.
Kritiker verneinen Überrumpelungsrisiko
«Die Regel bei Online-Käufen ist, dass der Konsument die Initiative ergreift. Er wird nicht gezwungen und auch nicht überrumpelt und es gibt auch keine Übereilungsgefahr», gab Giovanni Merlini (FDP/TI) zu bedenken, der die siegreiche Minderheit anführte. Der Käufer habe alle Zeit, Produkte und Vertragsbedingungen wie auch die Preise zu vergleichen. Er sei aber nicht dagegen, dass der Ausdruck «telefonische Verbindungen» noch verfeinert werde, ergänzte er.
Sommaruga: Produkt kann nicht überprüft werden
Justizministerin Simonetta Sommaruga räumte zwar ein, dass beim Online-Handel der Überraschungseffekt nicht spiele. Allerdings sehe hier der Kunde das Produkt nicht, etwa ein Kleid, das möglicherweise sehr klein geschnitten sei. Er könne auch nicht überprüfen, ob ein elektronisches Gerät funktioniere.
«Es ist deshalb nicht nur sinnvoll, sondern geradezu zwingend, den Online-Handel aufzunehmen», plädierte sie und stellte die Frage, ob denn eine Bestellung per SMS oder per Skype ein Telefonverkauf sei oder ein Online-Handel: «Das Argument, im Internet handle man selber, am Telefon werde man dagegen überrascht, funktioniert also nicht.»
Die frühere Konsumentenschützerin erinnerte zuvor vergeblich, dass sich der Rat 2006 mit der parlamentarischen Initiative von Pierre Bonhôte (SP/NE) selbst den Auftrag gegeben habe. Mängel im Fernabsatzgeschäft seien also schon damals bestätigt worden. Mit dem wachsenden Online-Markt mit heute sechs Milliarden Umsatz sei die Lage nicht besser geworden. Für Missbräuche – etwa wenn jemand etwas bestelle, kurz benütze und dann zurückschicke – gebe es zahlreiche Ausnahmebestimmungen.