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Sonderdebatte Frankenstärke: Politiker werben für ihre Anliegen
Die Nationalräte haben die Sonderdebatte zur Frankenstärke genutzt, und ihren Anliegen Luft verschafft. Für die Parteien ging es vor allem darum, ihre Programmpunkte zu verlautbaren. So forderte die SVP den Abbruch der Energiewende. Und die SP sah den Wohlstand in Gefahr.
Die Aussagen der Nationalräte zur Frankenstärke
Am 15. Januar hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) für Aufruhr gesorgt: Sie hob den Euro-Mindestkurs auf. Dies hat nicht nur in der Wirtschaft für Turbulenzen gesorgt – sondern auch die Politiker auf den Plan gerufen. Über gleich sieben dringliche Interpellationen hat der Nationalrat diskutiert – eine «Chropfleerete».
Kurzarbeit als kurzfristige Lösung
Als erstes ergiff SVP-Präsident Toni Brunner das Wort. Er holte zum Rundumschlag aus. Es brauche jetzt ein Deregulierungs- und Kostensenkungspaket. Dazu müssten diverse unnötige Vorlagen auf Eis gelegt werden; namentlich die Energiestrategie 2050, die CO2-Abgabe sowie die Einführung von Frauenquoten. Zudem müssten die Stellen im öffentlichen Haushalt von derzeit 33'700 auf 30'000 reduziert werden.
Auch sein Parteikollege Hansjörg Knecht will aufgrund der Frankenstärke der Energiewende den Garaus machen. Diese sei eine Zwängerei. 750 Franken müsse jeder Schweizer Einwohner pro Jahr für die Energiewende bezahlen. Zur Kasse gebeten würden vor allem die KMU und der Mittelstand, sagte Knecht vor dem Rat. Dies für sinkende Versorgungssicherheit, steigende Preise und erhöhte Umweltbelastung. «Wir fordern einen Marschhalt».
Mehr Anreize für Effizienzsteigerung
Martin Landolt (BDP/GL) gebot Einhalt: Die BDP werde nicht Hand bieten, wenn es darum gehe, die Frankenstärke für politische Zwecke zu nutzen. Die vorrangige Frage sei, wie könne den betroffenen Branchen schnell und spezifisch geholfen werden. Doch er pflichtete Toni Brunner bei: Das Stellenwachstum in der Verwaltung sei im Vergleich zur Wirtschaft aussergewöhnlich hoch. «Die Schweiz investiert in sich selbst.» Hier seien die Anreize für eine Effizienzsteigerung noch zu gering.
Nationalrätin Viola Amherd (CVP/VS) hält die Wirtschaft der Schweiz für gut aufgestellt und anpassungsfähig. In der aktuellen Situation müsse man vermehrt auf Bildung, Forschung, Innovation, Sozialpartnerschaft und die Sicherung der Bilateralen setzen, sagt Amherd. Zudem müssten Motionen vorangetrieben werden, welche der Wirtschaft helfe. Der Bundesrat müsse mit der SNB beraten, wie die Negativzinsen für Anleger und Sozialversicherungen aufgehoben werden könnten.
Kurzarbeit kurzfristig zulassen
Thomas Maier (GLP/ZH) wand dem Bundesrat ein Kränzchen. Viele gute Ansätze seien da. Für ihn sei das Finden von Fachkräften nach wie vor das grössere Problem als die Frankenstärke. Inakzeptabel sei der Versuch, die Energiewende abzublocken. Mit dem Kauf von Energie aus dem Ausland würde auch das Geld dorthin fliessen – anstatt dass es im Land bleibe.
Die FDP betonte, dass sie eine Bevormundung und Abschottung des Schweizer Marktes durch den Staat klar ablehne. Philipp Müller (FDP/AG) sagte, dass sich die Politik nicht in die geldpolitischen Aufgaben der SNB einmischen dürfe.
Gar nicht zufrieden mit dem SNB-Entscheid ist Corrado Pardini (SP/BE). Er sagte, drei «ideologisch verblendete» Männer hätten am 15. Januar beschlossen, die Existenzen von zehntausenden Familien in der Schweiz zu vernichten und den Wohlstand anzugreifen. «Wie werden sich Gratisarbeit, Eurolöhne, Lohnsenkungen oder Entlassungen auswirken?»
Regula Rytz (Grüne/BE) lobte die Unternehmen, die bisher kühlen Kopf bewahrt und keine Arbeitsplätze abgebaut oder Löhne gekürzt hätten. Die Risiken würden damit an die Arbeitnehmer weitergegeben, glaubt sie. Langfristig heisse die Lösung Innovation und Stärkung der regionalen Arbeitsplätze. Die vorübergehend zugelassene Kurzarbeit wertete sie als positiv.
Keine Massnahmen geplant
Zum Schluss ergriff noch Bundesrat Johann Schneider-Ammann das Wort. Er gab zu, dass seit dem 15. Januar die Produkte um 15 bis 20 Prozent teurer geworden seien. Er glaubt aber, dass nicht nur der SNB-Entscheid dazu beigetragen hat, sondern auch das noch ungeklärte Verhältnis mit der EU nach der Masseneinwanderungsinitiative.
Es brauche in der Schweiz ein liberales Arbeitsmarktgesetz sowie eine intakte Sozialpartnerschaft. Zudem müsse die Produktivität gesteigert werden. In den letzten Jahren habe die Schweiz 70'000 neue Beschäftigte aufgenommen. Gleichzeitig seien beim verarbeitenden Gewerbe 40'000 Stellen verloren gegangen. Das sei nicht produktiv.
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ergänzte, dass unmittelbare Massnahmen derzeit nicht geplant seien. Konjunkturpolitische Massnahmen wirkten nachfrageseitig und würden den Inlandmarkt ankurbeln, erklärte sie vor den Räten.
Demo auf dem Bundesplatz
Vor der Debatte hatten Vertreter der Gewerkschaft Unia auf dem Bundesplatz lautstark auf die Interessen des Werkplatzes Schweiz aufmerksam gemacht. Mit einem Häcksler machten sie Schilder, auf welchen «Arbeitsplätze» und «Werkplatz» stand, zu Kleinholz.
Auf Flugblättern forderten die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter das Parlament auf, das Nationalbank-Direktorium zur Verantwortung zu ziehen, wenn es nicht im Interesse der Schweiz und ihrer Bevölkerung handle. Die Aktion war nicht bewilligt, die Polizei liess die rund zwei Dutzend Aktivisten aber gewähren.
Die wichtigsten Fragen zur Frankenstärke, gestellt vom Nationalrat
Die wichtigsten Anliegen zum starken Franken (aus den dringlichen Interpellationen des Nationalrats)
| Die Antworten des Bundesrates:
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Was macht der Bundesrat, damit sich die Lage für die Wirtschaft nicht noch verschlimmert?
| Der Entscheid der SNB, den Mindestkurs zum Euro aufzugeben, ist für die Schweizer Volkswirtschaft eine Herausforderung. Die starke Frankenaufwertung bedeutet insbesondere für exportierende Unternehmen eine unmittelbare Verteuerung der Inlandproduktion. Der Bundesrat wird nach der für den 19. März 2015 geplanten Veröffentlichung der aktualisierten Konjunkturprognose der Expertengruppe des Bundes den Handlungsbedarf laufend überprüfen. Dabei sind auch Massnahmen zur Entlastung der Unternehmen in Betracht zu ziehen.
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Wie will der Bundesrat sicherstellen, dass die Preisvorteile für die Importprodukte an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden? | Untersuchungen sowie die Erfahrungen von 2011 haben gezeigt, dass Währungsvorteile nicht in allen Produktkategorien gleich schnell und gleich ausgeprägt weitergegeben werden. Nicht zuletzt spielt bei der Weitergabe auch die Wettbewerbssituation eine Rolle. Gemäss ersten Einschätzungen scheint die Weitergabe von Währungsvorteilen derzeit aber rascher abzulaufen als 2011. Dies gilt insbesondere für Autos, Möbel und Nahrungsmittel.
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Welche Folgen sind in Bezug auf Wachstum, Beschäftigung, Investitionsverhalten und das politische Klima in der Schweiz zu erwarten? | Infolge der durch die Frankenstärke bedingten Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen ist eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums, der Investitionstätigkeit und der Beschäftigung wahrscheinlich. Wie stark die konjunkturelle Abkühlung ausfallen wird, ist allerdings noch unsicher. Zum einen hängt dies vom Ausmass und von der Dauer und der Überbewertung des Frankens ab, zum andern vom Zusammenspiel mit anderen Faktoren. So könnte eine wachsende Weltwirtschaft, namentlich eine Fortsetzung der Konjunkturerholung in Europa, die schweizerische Exportkonjunktur stützen und dadurch die ungünstigen Wechselkurseffekte mildern.
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Wie wirkt sich die Freigabe des Wechselkurses auf die Finanzlage des Bundes und Kantone aus? | Die Beurteilung der Auswirkungen auf den Bundeshaushalt hängt stark davon ab, wie die Konjunktur auf die Frankenaufwertung reagiert. Es liegt nahe, dass sich die neuen Wechselkurse relativ rasch, das heisst schon im laufenden Jahr, auf die Konjunktur auswirken. Die bereits beschlossenen Bereinigungsmassnahmen beziehen sich demgegenüber auf das Budgetjahr 2016 und die Folgejahre. Die zu erwartende, konjunkturell bedingte Verschlechterung bei den Einnahmen können in der kurzen Frist weitgehend durch den Konjunkturfaktor der Schuldenbremse ausgeglichen werden. |
Teilt der Bundesrat die Ansicht, dass die Schweiz so rasch als möglich wieder zu einem stabilen Wechselkurs insbesondere zum Euro zurückkehren muss, kurzfristig von mindestens 1.15 Franken/Euro, längerfristig auf Kaufkraftparitätsniveau? | Der Franken war bereits bei 1.20 gegenüber dem Euro - gemessen an realwirtschaftlichen Kriterien - hoch bewertet. Diese Ausgangslage hat sich nach dem Ausstieg aus der Mindestkurspolitik und der anschliessenden Aufwertung verschärft. Seit der Aufhebung des Mindestkurses zum Euro durch die SNB Mitte Januar hat sich der Frankenkurs zwar erholt, bewegt sich aber immer noch auf Werten, die im historischen Vergleich sehr hoch sind. Eine weitere Erholung ist aus Sicht der Konjunktur wünschbar und hängt nach wie vor massgeblich von der Geldpolitik der Nationalbank ab. Diese kann durch die Negativzinspolitik und die Möglichkeit von gezielten Interventionen auf dem Devisenmarkt eine weitere Erholung des Frankens begünstigen. |
Teilt der Bundesrat die Einschätzung, dass ein Erhalt der Bilateralen in der aktuellen Situation noch wichtiger geworden ist? | Die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU ermöglichen in verschiedenen Bereichen eine Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt der EU. Sie sind ein äusserst wichtiger Standortfaktor, der nach dem Entscheid der SNB vom 15. Januar aus Sicht des Bundesrates noch wichtiger geworden ist. |
Der Bundesrat wird beauftragt zu zeigen, wie die Exportwirtschaft starke Wechselkursschwankungen günstig versichern kann.
| Die Absicherung von Währungsrisiken durch die Schweizerische Exportrisikoversicheurng lehnt der Bundesrat nach wie vor ab. Der Absicherungsmarkt erscheint dank den Informationstechnologien heute grundsätzlich hoch entwickelt. Ebenso darf nicht vergessen werden, dass auf dem Absicherungsmarkt nur die Wechselkursvolatilität, nicht jedoch eine langfristige Aufwertung des Frankens abgesichert werden kann. |