Letztes Jahr gab die erste Säule erstmals mehr Geld für Renten aus, als sie an Beiträgen einnahm. Den Pensionskassen wiederum machen die steigende Lebenserwartung und die tieferen Anlagerenditen zu schaffen. Sie müssen vermehrt auf Guthaben von Aktiven zurückgreifen, um laufende Renten zu finanzieren, was dem Kapitaldeckungsprinzip der zweiten Säule widerspricht.
Zur Lösung dieser Probleme hat der Ständerat die Vorschläge des Bundesrats im Wesentlichen übernommen: So soll das Rentenalter für Frauen schrittweise jenem der Männer angeglichen werden, allerdings innerhalb von drei und nicht innerhalb von sechs Jahren. Danach gilt 65 für beide Geschlechter als Referenzalter, in dem die Rente ohne Zuschläge oder Abzüge bezogen werden kann.
Der Altersrücktritt kann flexibel erfolgen, in der Regel zwischen 62 und 70 Jahren. Günstigere Bedingungen für Personen mit langer Beitragsdauer und tiefem Einkommen lehnt der Ständerat ab. Diese Massnahme hätte 400 Millionen Franken gekostet.
SP-Vertreter wiesen erfolglos darauf hin, dass für Personen mit tiefem Einkommen, die ohnehin eine tiefere Lebenserwartung haben, der vorzeitige Altersrücktritt ohne Erleichterungen finanziell ausser Reichweite sei.
Tiefere Renten in der beruflichen Vorsorge
In der obligatorischen beruflichen Vorsorge soll der Mindestumwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent reduziert werden. Die Renten sinken dadurch um rund zwölf Prozent. Der Bundesrat wollte zum Ausgleich insbesondere den Koordinationsabzug abschaffen und damit den versicherten Lohn erhöhen. Das hätte zur Bildung von zusätzlichem Alterskapital und damit zu höheren Renten geführt.
Höhere AHV-Neurenten zum Ausgleich
Der Ständerat will die sinkenden BVG-Renten jedoch auf anderem Weg ausgleichen. Auf Antrag der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) beschloss er mit 27 zu 17 Stimmen einen Zuschlag von 70 Franken auf neuen AHV-Renten. Ehepaarrenten würden um bis zu 226 Franken aufschlagen.
Dies könnte das höhere Frauenrentenalter und den tieferen Umwandlungssatz für die Linke politisch akzeptabel machen, was die Chancen der Vorlage an der Urne beträchtlich erhöht. Die überproportionale Erhöhung für Ehepaare entspricht einem Anliegen der CVP.
Die Lösung für die Neurentner sei ungleich wichtig, um die Nachteile der Revision zu mildern, betonte Paul Rechsteiner (SP/SG). Auch die Reduktoin des Umwandlungsatzes werde die Neurentner treffen, zumindest die heute unter 47-Jährigen.
«Ungute Vermischung»
Felix Gutzwiller (FDP/ZH) kritisierte die «ungute Vermischung» der ersten und zweiten Säule und wandte sich gegen den vorgeschlagenen Ausbau. Dieser koste zudem mehr als die strukturellen Änderungen der Altersreform 2020 einbrächten.
Tatsächlich kostet die Rentenerhöhung 2030 noch 1,4 Milliarden Franken, 2035 aber schon zwei Milliarden. Die Finanzierung nach 2030 ist ungeklärt. Die vom Bundesrat vorgeschlagene AHV-Schuldenbremse mit automatischen Beitragserhöhungen und gebremstem Teuerungsausgleich fand allerdings auch bei der Ratsrechten keine Unterstützung.
«Lieber heute den Preis kennen und bezahlen, als nur zu wissen, dass wir morgen mehr zahlen», sagte Konrad Graber (CVP/LU). Die Reduktion beim Umwandlungssatz werde so nur teilabgefedert. «Wie wollen Sie vor dem Volk einen Leistungsausbau geltend machen, wenn unter dem Strich die Renten tiefer ausfallen?», fragte Graber in den Rat.
Mehr Lohnprozente
Laut war die Kritik an der Finanzierung der AHV-Zuschläge über 0,3 zusätzliche Lohnprozente, was Arbeitnehmer und Arbeitgeber 1,4 Milliarden jährlich kosten würde. Die Gegner halten die Verteuerung des Faktors Arbeit in der gegenwärtigen Wirtschaftslage für unverantwortlich. Zudem werde die aktive Generation zusätzlich belastet.
Die Kritiker blieben in der Minderheit. Für die Mehrheit ist es wichtiger, die Reform der Altersvorsorge durch eine allfällige Volksabstimmung zu bekommen. Und dafür sei es entscheidend, was am Schluss des Tages im Portemonnaie bleibe, wurde argumentiert. Ob dieser Entscheid auch im Nationalrat Bestand hat, ist ungewiss. Dort sind die skeptischen Fraktionen viel stärker.
Innenminister Alain Berset bedauerte, dass der Ständerat nicht das Konzept des Bundesrats übernommen hatte. Dieses umfasste neben der Abschaffung des Koordinationsabzugs tiefere Altersgutschriftensätze und eine Herabsetzung der Eintrittschwelle, was Teilzeitbeschäftigten und Personen mit tiefen Einkommen zu Gute gekommen wäre.
Eine Senkung der Altersgutschriftensätze lehnte der Ständerat ab, für Teilzeitbeschäftigte beschloss er eine andere Lösung. Hingegen stimmte er zu, jene Versicherten, die nicht genügend Zeit zur Bildung von zusätzlichem Alterskapital haben, aus dem Sicherheitsfonds zu unterstützen. Profitieren soll aber nur die Generation ab 50 und nicht bereits 40-Jährige.
Bund zur Kasse gebeten
Mit Blick auf ein Referendum verzichtet der Ständerat auf die Abschaffung der Witwenrente für Frauen ohne Unterstützungspflichten. Sie hätte Einsparungen von 340 Millionen Franken gebracht. Ebenso verzichtet die kleine Kammer auf die Erhöhung der Beitragssätze für Selbständigerwerbende und die Abschaffung der sinkenden Beitragsskala. Das hätte Mehreinnahmen von 330 Millionen Franken gebracht.
Den Bund hingegen will er stärker zur Kasse bitten. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, den Bundesbeitrag an die AHV von 19,55 Prozent auf 18 Prozent zu reduzieren, der Sozialversicherung jedoch das ganze Demografieprozent zukommen zu lassen. Mit Letzterem ist der Ständerat einverstanden, den tieferen Bundesbeitrag lehnte er aber ab. Begründung: Aus der Alterreform dürfe keine Sparvorlage für den Bund werden.
Mehrwertsteuerentscheid noch nicht gefallen
Noch nicht entschieden hat die kleine Kammer, ob und um wie viel die Mehrwertsteuer zusätzlich angehoben werden soll, um die AHV zu finanzieren. Der Bundesrat will bis zu 1,5 Prozent zusätzlich, die Kommission nur ein Prozent. Ebenfalls offen ist der Entscheid zu den neuen Transparenzvorschriften in der beruflichen Vorsorge und zur minimalen Gewinnbeteiligung der Versicherten.
Am Mittwoch wird die Debatte fortgesetzt.