Tabakwerbung im Wandel der Zeit
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Bild 1 von 13. In den 1980er-Jahren nahm der US-geführte Krieg gegen das Rauchen Fahrt auf. Doch schon zum Anfang des Jahrhunderts riefen puritanische Sittenwächter zum Kreuzzug gegen das Laster auf. Es blieb ein frommer Wunsch: Rauchverbote in 14 US-Bundesstaaten wurden bald wieder aufgehoben. Die Jugendstil-Bewegung erhob Zigarettenwerbung zur Kunstform. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. Deutschland erwacht – und hustet: Die Nazis verboten im 2. Weltkrieg das Rauchen in Trams und Zügen. Auch der Passivraucher ist historisch belastet – er wurde von der NS-Propaganda «erfunden». Heinrich Himmler, der «Architekt» des Holocaust, untersagte seinen SS-Schergen das Rauchen im Dienst. Bildquelle: British Medical Journal, 1996 (Original 1941).
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Bild 3 von 13. «Die deutsche Frau raucht nicht!», donnerte Adolf Hitler. Einst selbst Kettenraucher war er überzeugt, dass das Laster den «Volkskörper» zersetzt. Marlene Dietrich ignorierte das Machtwort des Führers: Die legendäre Schauspielerin und Sängerin emigrierte in die USA. Niemand rauchte so schön wie sie. Bildquelle: Imago .
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Bild 4 von 13. Die einschlägigen Studien der Nationalsozialisten fanden international wenig Beachtung. Es brauchte einen Briten, um den Zusammenhang von Lungenkrebs und Rauchen in die weite Welt zu tragen. Die Tabakindustrie reagierte und holte eine Zweitmeinung ein: Die (Werbe-)Männer im weissen Kittel versprachen sorgenfreien Rauchgenuss. Bildquelle: R. J. Reynolds Tobacco Company, 1952.
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Bild 5 von 13. Aus heutiger Sicht grotesk, damals herzerweichend: Mutter mit Säugling und Zigarettenschachtel. Noch in den 1950ern verkaufte die Werbung Rauchen als selbstverständlichen Teil des Familienlebens. Bildquelle: Philip Morris, 1956.
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Bild 6 von 13. Beat Wyss strahlte einst als Parisienne-Mann von den Plakatwänden. Später schuf er kritische Distanz zum Glimmstengel: Als Professor für Kunst- und Mediengeschichte erforschte er die Kulturgeschichte des Rauchens. Bildquelle: British American Tobacco Switzerland, 1971 .
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Bild 7 von 13. Fluppe gegen Strohhalm – ein fairer Tausch? Der schnellste Colt im Wilden Westen verlor in den 1980ern zwar jede Coolness; dafür vergab die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Spezialpreis an seinen Zeichner. Bildquelle: Ehapa-Verlag, 1983.
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Bild 8 von 13. Ikone des 20. Jahrhunderts: Der Marlboro-Mann ist die bekannteste Werbefigur aller Zeiten. Er prägte nicht nur das Bild des Cowboys, sondern auch das Selbstverständnis der USA. Bis heute steht der qualmende Kuhhirte für Freiheitsdrang, Unabhängigkeit und Testosteron. Kurz: das «land of the free». Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 13. Der Schweizer Künstler Hannes Schmid wurde auch wegen seiner stilbildenden Fotografien des Marlboro-Mannes bekannt. Später nahm er das Motiv neu auf und überhöhte die Figur in monumentalen, ultrarealistischen Gemälden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 13. Start-Ziel-Sieg für das schnellste Marlboro-Päckchen der Welt...Pardon: Ayrton Senna. Jahrzehntelang kämpften die Multis um die Pole. Das Feld glich einer Kiosk-Auslage. Schliesslich beugten sich die Rennställe den strengen EU-Regularien von 2003. Schrittweise verzichteten sie rund um den Globus auf die Lackierungen – und Abermillionen Werbegelder. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 13. «Bob, ich habe Krebs.» Die Werbe-Ikone ermunterte die Weltgesundheitsorganisation WHO zu humoristischen Höhenflügen. In einer Antiraucher-Kampagne zur Jahrtausendwende haben die Marlboro-Männer offenbar Gesprächsbedarf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 13. Ihm sah man’s nach: Helmut Schmidt, der letzte gefeierte Raucher. In Amt und Würden einer unter vielen, stieg der Bundeskanzler a.D. in Talk-Shows zum Rebellen auf. Als US-Präsident Obama am G7-Gipfel von Ende Mai in einem verdächtigen Päckchen wühlte, flogen ihm in seiner Heimat keine Herzen zu. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 13 von 13. In der EU müssen Zigarettenschachteln künftig zu zwei Dritteln mit Schockbildern bedruckt werden. In der Schweiz hat der politische Arm der Tabakindustrie mehr Erfolg: Die Nahtoderfahrung auf dem Zigi-Päckli steht nicht zur Debatte. Auch, weil die Lobby mächtig ist: Japan Tobacco, Philip Morris und British American Tobacco sind hier ansässig. Bildquelle: Keystone.
Wir sind mitten im Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit. Ein behaglich eingerichtetes Wohnzimmer, irgendwo in Deutschland. Genüsslich zieht der Herr des Hauses an seiner Güldenring. «Na, schmeckt’s?», fragt der Filius. Keine Antwort, nur ein seliges Lächeln. Papa versinkt im Familiensofa. Der Sohnemann wird in eine dicke Schwade blauen Dunst eingehüllt.
Jetzt, der Abwasch ist erledigt, möchte auch Mutti eine rauchen. Der Knirps gibt Feuer und verschwindet, schon wieder, im Nebel. Kein Husten, kein Röcheln, kein Katarrh. Das perfekte Familienglück, wie es sich die Pioniere der Fernsehwerbung ausmalen.
Schnurrbärte für die Massen
Doch die Tabakmultis richten den Blick nach vorn. Während die Hippies die verkrustete Bürgerlichkeit beerdigen, schaffen sie neue Helden für eine neue Zeit. Die ersten Supermodels flanieren rauchend über den Laufsteg. Verwegene Schnurrbärte ziehen durch die Prärie und erobern, Lungenzug um Lungenzug, leicht bekleidete Schönheiten. Vier Marlboro-Männer erliegen später den Folgen des Rauchens. Damals gehört ihnen die Welt.
Und auch über die Schweizer Berge ziehen Rauchschwaden. Skifahrer wedeln als helvetische Marlboro-Männer die Pisten hinunter, zwei der markantesten Werbeikonen der Zeit sind Schweizer: Der Berner George Herriger erlangt als «Camel-Man» Berühmtheit; der Luzerner Beat Wyss lächelt als Parisienne-Protagonist von den Plakatwänden. Wer nicht, buchstäblich, mitzieht, bleibt aussen vor.
«Die Lunge ist dein letzter Filter»
Dabei wird früh klar, dass der blaue Dunst nicht harmlos ist. 1950 belegt der britische Forscher Richard Doll: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit. Die Industrie lanciert sündhaft teure Gegenkampagnen, um jeden Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Rauchgenuss zu widerlegen. In Fernsehspots und Hochglanz-Postillen beschwichtigt die paffende Ärzteschaft gleich selbst: «More doctors smoke Camel than any other cigarette.»
Doch jetzt reagiert auch die Schweizer Politik. 1964 verschwindet die Zigarettenwerbung aus dem Fernsehen; in den Kinosälen läuft sie derweil zur Hochform auf. 1968 lanciert der Kanton Zürich die Kampagne «Die Lunge ist dein letzter Filter». Beamte, ausgerüstet mit Aktenkoffer und Bürstenschnitt, strömen an die Schulen. Sie warnen die Raucher in spe mit, wie die «Antenne» des Schweizer Fernsehens verkündet, «recht gutem Dokumentationsmaterial» vor dem, was da noch kommen mag.
Mehr Sex versprühen freilich die Ikonen der milliardenschweren Tabakindustrie. Und auch wenn Marcel Reich-Ranicki und Friedrich Dürrenmatt beinahe das «Literarische Kaffeehaus» abfackeln, wissen die Fernsehzuschauer: Der Mann von Welt raucht.
Am Gängelband der Sucht
Die Gesundheitslobby erkennt die Zeichen der Zeit und greift zu drastischeren Mitteln. Bald schon ziehen fleischgewordene Warnhinweise durch alle Medienkanäle. Ihr Markenzeichen: gelbe Zähne, aschfahles Gesicht, Raucherbein – um nur die harmloseren Sujets aufzuzählen. Zur besten Sendezeit steigt im Schweizer Fernsehen eine Sonde in die Lunge eines Krebspatienten hinab. Nichts für schwache Nerven.
Einer ganzen Generation von Schülern brennt sich in den 1980er-Jahren der Antiraucher-Film «Der Duft der grossen weiten Welt» ein. Der unbestrittene Höhepunkt: Eine Armada an kehlkopfkranken Cowboys reitet durch unberührte Wildnis – eine markerschütternde Parodie auf den Marlboro-Mann. Die Tabakmultis setzen den Schockkampagnen eine neue Produktpalette an Mild- und Light-Zigaretten entgegen. Ärzte, die sie empfehlen würden, finden sich kaum.
Die Tabakindustrie stellt fest: Das Bundesamt für Gesundheit gefährdet unsere Gewinne.
Mitunter nehmen die Rückzugsgefechte der Industrie groteske Formen an. Noch 1994 vertritt der Branchenriese Philip Morris vor dem US-Kongress die steile These, dass Rauchen nicht süchtig macht. Firmeninterne Studien bewiesen schon 1969 das Gegenteil. Die Justiz bricht das Kartell des Schweigens und verdonnert die Tabakindustrie zu Milliardenzahlungen an geschädigte Raucher und Hinterbliebene.
Schliesslich geht es auch den Maskottchen an den Kragen. 1997 pfeifen die US-Behörden Joe Camel zurück – die kettenrauchende Comicfigur verführe gezielt Kinder und Jugendliche zum Rauchen. Ganz ohne Druck der Justiz wird Lucky Luke zum Pionier der political correctness: Schon 1983 tauscht er Fluppe mit Strohhalm (und bemüht sich mittlerweile, Konflikte gewaltfrei zu lösen).
Rauchen als Mutprobe
Doch es regt sich Widerstand. Verbannt in Glasboxen und Fumoirs wittern Freigeister einen Krieg gegen die Raucher. Der Philosoph Peter Sloterdjik sieht das Erwachen «postdemokratischer Verbotsgesellschaften». Für andere hat die «Stunde der Eiferer» geschlagen: «Selbsternannte Rauchsheriffs» ziehen durchs Land und frönen, so der Vorwurf, ihrem kleingeistigen Denunziantentum.
Findige Werber springen auf den Zug auf. Sie kontern die «Gesundheitsayatollahs» mit lässigem Fatalismus: «Don’t be a maybe» (frei übersetzt: «Sei kein Waschlappen») höhnt Marlboro. «Hauptsache, man macht es allen recht», findet auch Lucky Strike. Routiniert drucken die Multis die «Rauchen kann tödlich sein»-Slogans auf die Zigarettenschachteln – es klingt wie eine Mutprobe. Was sich nicht mehr leugnen lässt, soll wenigstens als Leben auf der Überholspur verkauft werden.
Sendebezug: SRF 4 News, 31.5.2016.