Beispiel Potentatengelder: Der Bundesrat wollte Vermögen gestürzter Diktatoren schneller an die Herkunftsländer zurückgeben können. Ziel war «die Wahrung der Reputation unseres Finanzplatzes», heisst es in der Gesetzesbotschaft.
Der Nationalrat entschied, die Potentatengelder aber nur dann zurückzuerstatten, wenn die Straftaten der Potentaten nicht verjährt sind. Er schwächte damit das Gesetz in einem zentralen Punkt ab. «Die Schweiz arbeitet an ihrem Ruf als Piratenhafen», kommentierte der Korruptionsexperte und Strafrechtsprofessor an der Universität Basel, Mark Pieth, den Entscheid.
Die Schweiz arbeitet an ihrem Ruf als Piratenhafen.
Eine Woche zuvor ein ähnliches Bild: Der Bundesrat wollte das Korruptionsstrafrecht verschärfen. Neu hätte auch Korruption unter Privaten von Amtes wegen verfolgt werden sollen. Fälle also, in denen nicht Politiker oder Verwaltungsangestellte von unlauteren Geschenken profitieren, sondern Angestellte von Firmen. Beispiel: Trotz minderer Qualität kauft der Kantinenchef das Brot beim Bäcker um Ecke, weil dieser dem Kantinenchef eine Reise nach Paris bezahlt.
Der Ständerat bevorzugte die abgeschwächte Version. Privatkorruption muss nur zwingend verfolgt werden, wenn ein öffentliches Interesse vorhanden ist – eine Ermessenssache.
Partikularinteressen steuern Parlament
Die Mehrheit des Parlaments hat sich in zwei wichtigen Vorlagen also für eine laschere Umsetzung der Gesetze entschieden. «Das ist auf die unterschiedliche Perspektive der Exekutive und Legislative zurückzuführen», erklärt Marc Bühlmann, Politologe an der Universität Bern.
Der Bundesrat (Exekutive) versuche stärker als das Parlament (Legislative), das Ansehen der Schweiz zu wahren oder zu verbessern. «Er ist das Organ mit den Kontakten ins Ausland und spürt somit direkt, wenn die schweizerische Gesetzgebung dort auf Widerstand stösst.» Entsprechend sachpolitisch habe der Bundesrat bei beiden Gesetzesvorlagen argumentiert, ergänzt Thomas Widmer, Politologe an der Universität Zürich.
Das Parlament funktioniere anders: «Hier kommen Interessen und Ideologien stärker ins Spiel. Die Debatte wird von einem anderen Gesichtspunkt aus geführt.» Das sei weder gut noch schlecht, sondern entspreche der Rolle der Volksvertreter, so Widmer. Beim Gesetz zu den Potentatengeldern sollen laut Medienberichten zum Beispiel Genfer Anwälte gegen eine Verschärfung lobbyiert haben.
Langsames Schweizer System
Der Bundesrat ist sich dieses Mechanismus durchaus bewusst und dürfte mit einer Vorlage ins Parlament gelangen, die gewisse Abstriche verträgt. Die grössten Partikularinteressen nimmt der Bundesrat überdies schon in der Vernehmlassung zum Gesetz zur Kenntnis. Trotzdem: «Ein stimmiges Gesetzespaket wird oft zerpflückt, denn National- und Ständeräte sehen vor allem einzelne Artikel, die sie ändern wollen», sagt Marc Bühlmann von der Universität Bern.
Symbolpolitik ist nicht nur schlecht.
Wenn einem Gesetz die Zähne gezogen werden, spricht der Volksmund gerne von Symbolpolitik. Auch wenn es das sei, sei das nicht nur schlecht, argumentiert Bühlmann. «Das Schweizer System ist langsam», sagt er, es erlaube keine grossen Würfe, dafür kleine Schritte auf sicherem Terrain. «Immerhin stellt sich das Parlament der Diskussion.»