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Schweiz Spendenwelle für Flüchtlinge: Wenn die Hilfe zu gut gemeint ist

Das Engagement für Flüchtlinge hat auch in der Schweiz zugenommen. Viele Menschen spenden Geld und Kleider oder nehmen Flüchtlinge bei sich zu Hause auf. Das grosse Engagement wird den Hilfswerken manchmal fast zu viel.

Freiwillige der privaten Hilfsaktion «Tsueri hilft» beim Aussortieren von Kleidern.
Legende: Auch andere Initiativen sammeln: Freiwillige der privaten Hilfsaktion «Tsueri hilft» beim Aussortieren von Kleidern. Keystone

Sie würden von der Hilfsbereitschaft der Leute überrollt, sagen Mitarbeiter von Durchgangszentren und Flüchtlingshilfsorganisationen. Und sie berichten von Anwohnern, die mit übervollen Autos vorfahren und ungefragt ihre Spenden vor den Flüchtlingsheimen abladen – kistenweise. Kleider, Schuhe, Spielsachen.

Sie erwähnen das Telefon im Durchgangszentrum, das noch vor der ersten Teamsitzung am Morgen schon heissläuft wegen der vielen Anrufer, die helfen wollen.

Die Solidarität sei noch grösser als während des Balkankonflikts in den 1990er Jahren. Und ganz verhalten, schon fast beschämt, kommt auch schon mal die Klage, dass es viel zu viel sei an Hilfe, zu gut gemeint. Dass man gar nicht mehr zum Arbeiten komme.

«Zu wenig gut koordiniert»

Das will Thomas Kunz von der städtischen Asylorganisation AOZ Zürich nicht stehenlassen. «Es ist so gut gemeint», sagt er. Aber vielleicht sei es zu wenig gut koordiniert.

Die AOZ, die im Kanton Zürich drei Durchgangszentren betreibt, habe darum kürzlich auf ihrer Webseite eigens eine Wegleitung für Hilfsbereite aufgeschaltet. Wer helfen will, kann dort nachschauen, welche Art von Hilfe überhaupt benötigt wird.

Sich über die enorme Solidarität zu beklagen, wäre auch unangebracht, meint Kunz weiter. Denn jahrelang habe man sich genau das von der Schweizer Bevölkerung gewünscht. Wenn die grosse Welle von Mitgefühl und Engagement nun also da sei, könne es ja nicht sein, dass die betroffenen Organisationen damit nicht umgehen könnten.

Audio
Fast schon zuviel der Hilfe
aus Echo der Zeit vom 26.09.2015. Bild: keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 1 Sekunde.

«Das Sammellager war schon am ersten Tag voll»

Wie gross der Wille zum Helfen ist, hat auch Diana Brasey gemerkt. Sie will – als Privatperson – den Flüchtlingen im französischen Calais helfen. Die Menschen dort, die durch den Eurotunnel nach Grossbritannien gelangen wollen, leben zu Tausenden unter fragwürdigen Bedingungen auf offenem Feld in selber gebauten Zeltstädten.

Diana Brasey lancierte Ende August, zusammen mit zwei Freundinnen in den sozialen Medien Twitter und Facebook einen Hilferuf und organisierte in Zürich ein Sammellager. «Das war am ersten Tag bereits voll», erzählt Brasey. «Und weil wir auch in Luzern und Bern noch zusätzliche Sammelstellen eingerichtet hatten, hatten wir wirklich ein Problem.» Das Problem: zu viele Spenden. Sie füllten nämlich nicht wie geplant einen Lastwagen, sondern gleich drei.

Zurzeit steht Diana Brasey mitten im administrativen Gefecht mit den französischen Zollbehörden. Schon nächste Woche will sie die Spenden nach Calais bringen. Denn die Temperaturen in der nordfranzösischen Hafenstadt sinken. Die Leute frieren.

Dass man durch das Internet und die sozialen Medien in kurzer Zeit sehr viele Leute erreichen kann, hat auch Franz Hohler gerade erlebt. Der Kabarettist und Schriftsteller veröffentlichte Mitte September ein Flüchtlingsmanifest, das von der SP des Kantons Zürich initiiert worden war.

Autor und Kabarettist Franz Hohler
Legende: Schrieb das Flüchtlingsmanifest: Autor und Kabarettist Franz Hohler Keystone

Bisher haben es über 12'000 Menschen im Internet unterschrieben. 1000 Unterschriften pro Tag. Hohler freut sich. Er appelliert aber auch an die Unterzeichner. Mit der Unterschrift allein sei es nicht getan.

«Das wird die Prüfung sein: ob dieses Engagement ein Strohfeuer ist, eine momentane Begeisterung für eine Idee – oder ob sie länger andauert», sagt Hohler. Mit anderen Worten: Eine Unterschrift ist schnell unter ein Manifest gesetzt. Die Herausforderungen aber, die die Flüchtlingsströme mit sich bringen, werden uns noch viele Jahre beschäftigen.

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