SRF: Muss Pfarrer Wendelin Bucheli seine von Bischof Vitus Huonder vom Bistum Chur verlangte Versetzung befolgen?
René Pahud: Ja. Pfarrer Bucheli ist seinem Diözesanbischof gegenüber gehorsamspflichtig. Wenn eine solche Weisung ausgesprochen wird, muss er ihr Folge leisten.
Offenbar will Pfarrer Bucheli aber in seiner Gemeinde Bürglen bleiben. Er sagt, das Volk und auch der Kirchenrat stünden hinter ihm. Was geschieht, wenn Bucheli der Weisung Huonders nicht folgt?
Dann kann der Bischof prüfen, ob er administrative Mittel hat, um Bucheli zurückzubeordern. Aber das wird schwierig sein, weil der Pfarrer nicht vom Bischof, sondern von der Kirchgemeinde Bürglen angestellt ist. Solange die seinen Arbeitsvertrag nicht auflöst, wird er dort weiterhin im Amt bleiben können.
Was können die Bischöfe denn machen, wenn der Pfarrer stur bleibt?
Sie können sich überlegen, ob sie ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Eine andere Möglichkeit ist, zu versuchen mit einer Suspension seine Handlungsoptionen einzuschränken. Dann könnte Bucheli gewisse administrative Handlungen nicht mehr vornehmen. Im Prinzip wäre es auch nicht möglich, dass er religiöse Handlungen vollzieht, also etwa Sakramente spendet. Wenn er es dennoch tut, so wären diese aber nicht plötzlich einfach ungültig. Schlussendlich wird es also schwierig sein, Bucheli irgendwelche Handlungen zu verbieten.
Ist die Segnung zweier lesbischer Frauen ein so schwerer Verstoss gegen die katholische Lehre, wie es das Bistum Chur geltend machen will?
Es ist in der Optik des Kirchenrechts noch kein strafbares Vergehen. Es ist vielmehr etwas, was gemäss einer Regelung der Bischofskonferenz nicht erlaubt ist. Es handelt sich mehr um ein Disziplinarvergehen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Segnungen an Menschen immer möglich sind und dies auch ein theologisches Fundament hat.
In einem Dokument der Schweizer Bischofskonferenz aus dem Jahre 2002 steht explizit, dass die Bischöfe der Überzeugung seien, dass homosexuelle Menschen gesegnet werden könnten – aber nicht die Schliessung einer homosexuellen Verbindung. Heisst das, hier hat Pfarrer Bucheli einfach ungeschickt gehandelt?
Soweit man im Moment weiss, war sich Pfarrer Bucheli bewusst, was er tat. Die kirchenrechtliche Ehe ist eine Ehe zwischen Mann und Frau. Es ist verständlich, dass die Bischofskonferenz nicht will, dass Akte zelebriert werden, die ihr zum verwechseln ähnlich sind. Insgesamt stellt sich allerdings die Frage, wie das im konkreten Fall vor Ort ablief. Darüber fehlen uns momentan die Informationen.
Gibt es überhaupt die Möglichkeit eines Kompromisses, ohne dass die Bischöfe das Gesicht verlieren?
Hier bräuchte es ein Mediationsverfahren in einem frühen Stadium, solange sich die Fronten noch nicht verhärtet haben. Ich vermute, dass niemand in der katholischen Kirche daran interessiert ist, einen zweiten Fall Röschenz zu haben.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.