Da gibt es auf der einen Seite die Wahrnehmung der Gülen-Anhänger in der Schweiz – also jener, die dem Prediger Fetullah Gülen nahestehen. Gülen wird vom türkischen Präsidenten Erdogan für den Putschversuch verantwortlich gemacht.
Angst als ständiger Begleiter
Für Gülen-Anhänger Eidar ist das Leben nicht mehr, wie es vor dem Putschversuch war. «Es ist manchmal erschreckend», erzählt Eidar. Er zittere am ganzen Körper, wenn er die Drohungen auf Facebook lese. Am stärksten litten seine Kinder unter der Situation, so der 45-jährige Kulturschaffende. Ständig würden sie ihm Fragen stellen, zum Beispiel: «Was ist, wenn auch wir plötzlich im Tram angegriffen werden?» Er sei derzeit hauptsächlich damit beschäftigt, seinen Kindern die Angst zu nehmen. «Und wir schauen auch keine türkischen Medien mehr. Wir versuchen, uns davon zu distanzieren.»
Ich treffe die Gülen-Anhänger im Anatolien-Kulturverein in Olten. Es ist ein kahles Sitzungszimmer im vierten Stock eines Bürogebäudes. Am Tisch sitzt auch der 28-jährige Serkan. Er arbeitet in der Versicherungsbranche. Auch er hat Familie. Wenn er aus dem Haus geht, begleitet ihn die Angst. «Wenn man mit jemandem redet, muss man aufpassen, was man sagt.» Der Gedanke der Gefahr sei allgegenwärtig.
«Wir leben weiter friedlich zusammen»
Gefahr? Dieses Wort klingt an einem anderen Ort wie ein Fremdwort: Wir sitzen in einem Büro der türkisch-islamischen Stiftung für die Schweiz in Zürich-Oerlikon. Frisch renoviert mit edlem Holz an den Wänden. Die 26-jährige Büsra Durmaz steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe. Gefahr fühle sie keine, sagt sie. «Die Türken untereinander haben keine Probleme im Moment. Wir leben weiter friedlich zusammen.»
Das sieht auch Kahraman Tunaboylu so. Er ist Präsident der Türkischen Gemeinschaft Schweiz, der Dachorganisation der meisten türkischen Vereine in der Schweiz. Er bezeichnet sich als politisch neutral. Unruhe verspüre er hierzulande keine. Und sowieso: «Wir haben die Gülen-Anhänger schon früher gekannt, auch während des Ramadans mit ihnen gebetet.» Schwierigkeiten habe es nie gegeben.
Berichten die Medien einseitig?
Problematisch sei hingegen, dass die Schweizer Medien negativ über Präsident Erdogan berichten würden. Tunaboylu und Durmaz wünschten sich, es würde weniger einseitig berichtet. «Die Medien müssen neutral sein und auch mal die anderen Meinungen anhören», sagt Büsra Durmaz. «Und so gefährlich ist es jetzt in der Türkei gar nicht – aber es wird immer so dargestellt.»
Alles in bester Ordnung, sagen also die einen. Sie fühlten sich bedroht, sagen die anderen. Auch wenn das nicht alle so wahrnehmen - die tiefen Gräben in der türkischen Gesellschaft zeigen sich auch in der Schweiz.