Der sicherheitspolitische Bericht des Bundesrats ist jeweils starker Tobak: Geostrategische Grosswetterlage, Ringen der Weltmächte um Vormachtstellung, Bedrohungen von aussen, sekundiert von Ungemach im Innern.
Beleuchtete die Ausgabe von 2000 noch die «neue politische und strategische Entwicklung» seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, sprach der vorerst letzte Bericht von 2010 von einer Weltlage, «die zwar nicht unbedingt gefährlicher (als vor zehn Jahren), wahrscheinlich aber unberechenbarer ist.»
Der Bericht erkannte das Erwachen einer neuen, multipolaren Weltordnung. Als «markanteste Veränderung» nannte er die verstärkte Bedrohung durch «nichtstaatliche Akteure», namentlich Terroristen.
Russland, Terrorismus, und Cyberattacken
Neuerdings erscheint der Bericht in jeder Legislaturperiode. Die Abstände werden kürzer, die Unterschiede in der Bedrohungslage dürften mutmasslich kleiner werden. Diese Vermutung bestätigt sich mit Blick auf den Entwurf zur neuesten Ausgabe jedoch nicht: «Seit 2010 hat sich die Bedrohungslage für die Schweiz teilweise markant verändert, so dass der Bundesrat es für angezeigt hielt, ein neues sicherheitspolitisches Grundlagendokument auszuarbeiten», ist dem Bericht vorangestellt.
Die wesentlichen Bedrohungen für die Schweiz:
- Umbrüche und Konflikte in Nordafrika und im Nahen Osten, das damit zusammenhängende Anschwellen der Migrationsbewegungen
- Der Aufstieg der Terrororganisation «Islamischer Staat» und die erhöhte Anziehungskraft des Dschihad für Personen in westlichen Staaten
- Die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland, die Kämpfe in der Ostukraine und die rapide Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen
- Die massive Zunahme von Cyberangriffen. Die gestiegene Macht von Propaganda im Zeitalter von allgegenwärtigen Kameras, digital bearbeiteten Bildern und Internet, die massenhafte Abschöpfung von Information mit elektronischen Mitteln
Verteidigungsminister Ueli Maurer bestätigte diese «markantem Veränderungen» vor den Medien in Bern: «Wir haben Krieg vor der Haustüre. Cyberattacken werden nicht mehr von Hobby-Informatikern durchgeführt.»
Maurer plädiert dafür, nicht mehr in einzelnen Bedrohungen zu denken. Als Beispiel nannte er militärische Interventionen: Sie würden heute immer auch von Cyberattacken begleitet. Weiter dürfe sich die Schweiz nicht sicherheitspolitisch isolieren, denn «wenn Europa brennt, betrifft das auch uns».
«Panzerschlachten waren gestern»
Auch die sicherheitspolitischen Instrumente seien einem Wandel unterworfen, so der Verteidigungsminister. Gerade die Armee müsse sich auf neue Bedrohungen ausrichten, was entgegen medialer Polemik auch schon geschehen sei: «Wir haben uns längst vom Kalten Krieg und Panzerschlachten gelöst.»
Künftig soll die Armee in Bereitschaft, Ausbildung, Ausrüstung und regionaler Abstützung verbessert werden, einen Sollbestand von 100‘000 Armeeangehörigen und einen Ausgabenplafonds von fünf Milliarden Franken pro Jahr erreichen. Die Geister in den eidgenössischen Räten scheiden sich insbesondere am Budget.
Flüchtlingskrise: «Keine sicherheitspolitische Gefahr»
Als Priorität in der europäischen Zusammenarbeit gilt auch die aktuelle Flüchtlingskrise. «Diese ist aber keine sicherheitspolitische Bedrohung. Dass sie zu einer wirklichen Gefahr wird, denke ich nicht», so Maurer. Trotzdem binde die Situation Sicherheitskräfte auf hohem Niveau und auf lange Zeit.
Bei der Frage, ob die Armee zur Bewachung der Grenze eingesetzt werde, wollte sich Maurer nicht festlegen. «Die Situation wird aber wohl nicht in nächster Zeit eintreten.» Und komplett verfehlt sei die Vorstellung, dass Soldaten dereinst «mit geladenem Gewehr im Gebüsch an der Grenze stehen.» Die Armee, so Maurer, sei im Falle einer Verlegung an die Grenze direkt dem Grenzwachtkorps unterstellt und habe keine eigenen Kompetenzen.