«Fürsorgerische Zwangsmassnahme». Was beim ersten Hinhören nach etwas forcierter Elternarbeit klingt, war bis in die 1980er-Jahre der Oberbegriff für eine gängige Behörden-Methode, um sich scheinbar unangepasste junge Zeitgenossen rasch vom Hals zu schaffen: administrative Verwahrung, Verdingkinder, das waren die Stichworte.
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Seit Dezember vergangenen Jahres geht alles recht schnell. Damals entschied der Nationalrat, die Opfer gesetzlich zu rehabilitieren. Nun empfiehlt die Sozialdirektorenkonferenz der Kantone den Kantonsregierungen, mit Lotteriegeldern einen Soforthilfefonds über 5 Millionen Franken einzurichten. Er soll den vielen Opfern sogenannter fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zugute kommen.
«Das reicht bei Weitem nicht aus»
Zusammen mit Beiträgen anderer Organisationen sowie mit Spenden Privater soll der Fonds über 7 bis 8 Millionen Franken verfügen. Beim Soforthilfefonds handelt es sich um eine Übergangslösung bis zur Schaffung eines Härtefall- oder Solidaritätsfonds.
Für die Betroffenen selbst ist das zwar eine gute Nachricht. Aber angesichts des unermesslichen Leids, das ihnen wiederfahren ist, dürfte die Summe im Fond nicht viel mehr als der berühmte Tropfen sein. Ursula Biondi vom Verein «Rehabilitierung Adminstrativ Versorgter» war damals selbst ein Opfer dieser Behörden-Willkür. Die Buchautorin und Trägerin eines Ehrendoktortitels sagte zu SRF «Heute um vier», diese Überbrückungsmassnahmen seien ein erfreuliches Zeichen, reichten aber bei weitem nicht aus.
Viel Zeit bleibt den Verantwortlichen überdies nicht mehr. Denn nicht wenige der Opfer sind heute bereits sehr alt. Darum soll die Soforthilfe bereits in diesem Sommer anlaufen. Vorgesehen ist eine einmalige finanzielle Hilfe für Opfer in Notsituationen, wie das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement mitteilte.
Die Leistung von Soforthilfe hatte der Runde Tisch für die Betroffenen von «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen» empfohlen. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) legte den Vorschlag nun in Absprache mit dem Präsidenten der Fachdirektorenkonferenz Lotteriemarkt und Lotteriegesetz (FDKL) den Kantonsregierungen vor.
Abgeschoben ohne Rechte
Bis in die 1980er-Jahre hinein waren Menschen von den Behörden administrativ versorgt oder fremdplatziert worden. Gründe waren etwa «Arbeitsscheu», «lasterhafter Lebenswandel» oder «Liederlichkeit».
Den Betroffenen war der Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung in vielen Fällen verwehrt worden. Das Parlament arbeitet derzeit an einem Gesetz zur Rehabilitierung der Opfer.