Eine 34-jährige Sozialtherapeutin wurde am Freitag in der Nähe einer Reithalle wenige Kilometer ausserhalb Genfs tot gefunden. Sie war am Donnerstag mit einem verurteilten Vergewaltiger auf Freigang verschwunden. Die Genfer Regierung zeigte sich schockiert über das Tötungsdelikt und sistierte alle Freigänge.
Die Frau arbeitete seit 2007 im Zentrum für Sozialtherapie «La Pâquerette» in Genf und war als Kriminologin und Psychologin tätig, wie der Direktor der Genfer Universitätsspitäler HUG, Bertrand Levrat bestätigte. «Sie war erfahren und hatte in ihrer Karriere bereits 200 Freigänge mit Häftlingen absolviert.»
Die Psychologin begleitete den Mann, der wegen zweifacher Vergewaltigung zu insgesamt 20 Jahren Haft verurteilt ist, zu einer Reittherapie. Das Zentrum für Sozialtherapie «La Pâquerette» innerhalb des Gefängnisses Champ-Dollon hatte dafür die Verantwortung. Als der Häftling und seine Begleiterin um 11 Uhr nicht zum Rendez-vous erschienen und die Sozialtherapeutin auf Handyanrufe nicht reagierte, wurde Alarm geschlagen.
Mit weissem Citroën geflohen
Zuvor waren die beiden laut der Polizei in einem weissen Citroën Berlingo mit Genfer Kennzeichen gesehen worden. Erst am Freitag wurde die Leiche der Frau wenige Kilometer ausserhalb Genfs in Richtung Versoix (GE) in der Nähe der Reithalle gefunden, wo die Reittherapie stattfinden sollte.
Der Genfer Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Pierre Maudet zeigte sich im Namen der Gesamtregierung traurig und sehr schockiert über das schreckliche Drama. Sichtlich bewegt drückte er der Familie der Verstorbenen sein Beileid aus.
Maudet: «Tragödie und Spezialfall»
Maudet kündigte eine Administrativuntersuchung an. Zugleich gab er bekannt, dass alle Freigänge aus Genfer Strafanstalten bis auf weiteres sistiert sind. «Wir haben eine doppelte Vergewaltigung mit einer kumulierten Strafe, einen Spezialfall», sagte Maudet. Es handle sich hier um eine Tragödie, bei der auch untersucht werden müsse, ob die polizeilichen Dispositive genügten.
Erster Freigang ebenfalls mit Frau
Laut Favre hatte der Entführer und mutmassliche Mörder der Sozialtherapeutin sein erstes Delikt 1999 begangen. Er wurde 2001 in Frankreich erstmals wegen Vergewaltigung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Wegen einer weiteren Vergewaltigung wurde er in Frankreich zum zweiten Mal zu fünf Jahren verurteilt.
2008 wurde der verurteilte Vergewaltiger nach Genf ausgeliefert, um seine Haftstrafen abzusitzen. Diese hätten sich unterdessen auf 20 Jahre kumuliert. Nach Verbüssung von rund zwei Dritteln der Strafe seien ihm aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens begleitete Freigänge erlaubt worden. Der erste fand am 3. September statt, der zweite am 12. September – jeweils in Begleitung einer Frau.
Hund findet Spur
Bei der Fahndung nach dem 39-Jährigen kam es am Freitagmittag in der deutschen Grenzstadt Weil am Rhein bei Basel zu einem Grosseinsatz der Polizei. Gefunden wurde der Flüchtige jedoch nicht. Aufgrund einer Handyortung habe eine konkrete Spur zum Alten Zollhaus in Weil geführt, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Lörrach.
Ein Restaurant und Spielsalon wurden durchsucht, ohne dass der Straftäter dingfest gemacht werden konnte. Später dann fand ein Polizeihund eine Spur des Gesuchten, die sich jedoch an einem Bahngleis verlor. Die Polizei schliesst aber nicht aus, dass sich der Mann noch in der Region aufhalten könnte.