Gemäss dem Pflichtenheft des VBS kann mit der einen Milliarde Franken, die das Raketenprojekt Bodluv 2020 voraussichtlich kostet, nur ein Raum von 600 Quadratkilometern geschützt werden. Im Endausbau soll das Projekt gemäss Pflichtenheft eine sechs Mal so grosse Fläche abdecken.
Diese neuen Fakten lassen Schweizer Sicherheitspolitiker weiter am Raketenprojekt der Armee zweifeln. «Das heisst, dass man einen grossen Teil der Schweiz schutzlos lassen würde», sagt FDP-Nationalrat Walter Müller. GLP-Nationalrat Beat Flach sagt, es wäre «ein Fehler», Geld auszugeben, um 600 Quadratkilometer zu schützen, «um dann ein Sechsfaches beschaffen zu müssen».
Für SP-Nationalrätin Chantal Galladé stellt das Verhältnis zwischen dem Beschaffungsumfang und der daraus resultierender Sicherheit «neue Fragezeichen», wie sie gegenüber der «Rundschau» erklärt. «Alle Bereiche müssen sparen und da ist man offenbar bereit, Milliarden in Etwas mit relativ wenig Wirkung zu investieren.»
«Kosten von mehreren Milliarden»
Gegenüber der «Rundschau» schätzen Luftwaffenoffiziere die Kosten der Flugabwehr im Endausbau auf rund 2,5 bis 3 Milliarden Franken. Pilot und SVP-Nationalrat Thomas Hurter sagt: «Wenn wir jetzt weitere Millionen dafür einsetzen müssen, dann bin ich der Meinung, dass das finanziell nicht möglich sein wird.» FDP-Politiker Müller warnt vor «Kosten von mehreren Milliarden».
Die «Rundschau» bat das Verteidigungsdepartement VBS um eine Stellungnahme und wollte wissen, mit welchen Kosten im Endausbau aus Sicht des VBS zu rechnen seien. Sprecher Renato Kalbermatten schreibt der «Rundschau»: «Zu Ihren Fragen gibt es unterschiedliche Aussagen. Aufgrund dessen und wegen der Verknüpfung mit der Evaluation des neuen Kampfflugzeuges hat Bundesrat Parmelin das Projekt am 22. März 2016 vorläufig sistiert.» Die Projektverantwortlichen hätten nach wie vor das Vertrauen des Departementsvorstehers und des Chefs der Armee.
Offene Fragen und Sorge um neues Kampfflugzeug
Weiter verweist Kalbermatten auf die laufende Administrativuntersuchung, durch die «nun offene Fragen und Prozesse» geprüft würden: «Solange diese nicht abgeschlossen ist, wird sich das VBS zu Fragen und Indiskretionen im Zusammenhang mit diesem Projekt nicht weiter äussern.»
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Die grosse Sorge der Politiker: Wird die Flugabwehr teurer, gerät die nächste grosse Beschaffung unter Druck. Der F/A-18-Kampfjet fliegt nur noch ein paar Jahre, ein neues Flugzeug wird mehrere Milliarden kosten. FDP-Nationalrat Müller mahnt: «Das Risiko ist gross, dass man am Ende keine Luftwaffe mehr vermag, wenn man am Schluss die bodengestützte Luftabwehr derart ausbauen muss.»
«Glaubwürdigkeit nicht mehr da»
Das harte Durchgreifen von Bundesrat Guy Parmelin in der Bodluv-Krise kommt bei der Sicherheitspolitischen Kommission gut an, wie sie gestern mitteilte. Sicherheitspolitikerin Galladé mahnt, die Glaubwürdigkeit müsse wieder hergestellt werden: «Die ist so nicht mehr gegeben.»
Wie es mit dem Projekt weitergeht, ist zurzeit unklar. Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» erklärte Bundesrat Parmelin, dass er das Geschäft aus dem Rüstungsprogramm 2017 kippen werde und Alternativprojekte suche, die dem Parlament vorgelegt werden können. Am Dienstag entschied die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats, dass sie diesen Kurs unterstütze und mit anderen Beschaffungen die Lücke im Rüstungsprogramm schliessen wolle.