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Interne IS-Dokumente aufgetaucht
Aus 10 vor 10 vom 15.03.2016.
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Schweiz Vier Männer aus der Schweiz in den Personalunterlagen des IS

In den internen Dokumenten der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS), die kürzlich öffentlich wurden, finden sich mindestens vier Personen mit Bezügen zur Schweiz. Die Befragungsbögen liegen der Redaktion von «10vor10» und dem Tages-Anzeiger vor und geben Einblick in die Rekrutierung von Schweizern.

Vier Männer, die in der Schweiz gelebt haben, tauchen in den Dokumenten auf, die der Terrormiliz «Islamischer Staat» abhandengekommen sind. Der Verlust der Daten, die als «geheim» eingestuft sind und offenbar von der «General-Grenzverwaltung» erstellt worden sind, ist vergangene Woche bekannt geworden. Die Unterlagen scheinen aus Befragungen des IS zu stammen, die die Terrormiliz mit Bewerbern durchführte.

Dschihadreisende

Nationalität AlterAufenthaltsort
Schweiz32Wallis
Schweiz25Westschweiz
Ägypten45Westschweiz
Marokko39unbekannt

Wie die SRF-Sendung «10vor10» und der Tages-Anzeiger nun berichten, sind im Fundus von über 20'000 Dokumenten zumindest vier Personen aus der Schweiz zu finden.

Dschihadist gab Telefonnummer seiner Eltern an

Die nun in den Unterlagen entdeckten Schweizer wurden zwischen August 2013 und März 2014 befragt. Einer der Schweizer ist heute 32 Jahre alt, er war vor seiner Reise zum IS nach Syrien im Wallis wohnhaft. Er gab in der Befragung an, als Sanitäter und Fotograf gearbeitet zu haben. Als Kontakt nannte der Schweizer Bürger eine Telefonnummer mit Schweizer Vorwahl.

Die Überprüfung der Nummer durch «10vor10» ergab, dass sie korrekt ist und seinen Eltern gehört. Der Mann war via die Türkei nach Syrien eingereist und meldete sich beim IS als Kämpfer. Der Mann ist inzwischen in die Schweiz zurückgekehrt und wurde von der Bundesanwaltschaft per Strafbefehl zu 600 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, begleitet von einer Psychotherapie.

Eine Person ist zurückgekehrt

Auch die zweite Person stammt aus der Westschweiz, der Mann ist heute 25 Jahre alt, auch er ist Schweizer Bürger. Seine religiösen Kenntnisse werden im Personalbogen als «niedrig» bezeichnet. Der Mann gab an, er habe zuvor für eine andere Gruppe gekämpft, nämlich den syrischen Al Kaida-Ableger «Jabhat al Nusra».

Der dritte Mann stammt ursprünglich aus Ägypten. In seinem Personalbogen des IS heisst es, er sei 45 Jahre alt, sei ledig und habe ein Kind. Als Wohnort hat er eine Gemeinde am Genfer See angegeben. Er meldete sich als Kämpfer.

Bei der vierten Person handelt es sich um einen Mann aus Marokko, er ist gemäss IS-Dokument 39 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Auch er wollte beim IS Kämpfer werden. Gemäss Unterlagen lebte er elf Monate in der Schweiz. Über seinen Wohnort in der Schweiz ist nichts bekannt.

Einer der vier Männer ist nachweislich in die Schweiz zurückgekehrt, die anderen drei dürften sich noch im Kriegsgebiet befinden, allerdings ist ihr Verbleib offen.

Terrorismus-Forscher Vidino: «IS ist in militärischem Denken verhaftet»

Warum der IS über seine Mitglieder so detaillierte Akten anlegt, liegt für Terrorismus-Forscher Lorenzo G. Vidino auf der Hand. Er sagt gegenüber: «Der IS ist eine riesige Organisation. Sie haben Zehntausende von Rekruten. Deshalb sind sie gezwungen, eine Struktur zu schaffen und eine Bürokratie zu betreiben. Viele der Anführer des IS sind ehemalige Angehörige der irakischen Armee. Sie sind in militärischem Denken verhaftet und sind davon überzeugt, dass sie alles gut organisieren müssen, um selbst den Überblick behalten zu können.»

Vidino ist Programmdirektor für Extremismus an der George Washington University in den USA. Für die ETH hat Vidino Ende 2013 eine der ersten Studien verfasst über «dschihadistische Radikalisierung» in der Schweiz.

Akribischer Fragebogen: Blutgruppe? Selbstmordattentäter?

Die Fragebögen sind stets nach dem gleichen Muster aufgebaut, es werden 23 Fragen gestellt: Bürgerliche Name, Kampfname, bisheriger Wohnort, Blutgruppe, und auch Angaben zu Schleusern, die bei der Einreise geholfen haben. Dann mussten die IS-Freiwilligen auch einen Bürgen angeben, also eine Art Referenz-Person wie bei einer Stellenbewerbung. Zudem konnten die Einreisenden angeben, wo sie im IS tätig werden möchten: Ob als Kämpfer, in der Scharia-Justiz, dem Geheimdienst oder in der Verwaltung.

Bei einem gewünschten Einsatz als Kämpfer wurde zudem gefragt, ob man als gewöhnlicher Soldat dienen möchte oder sich Spezialkräften für besonders riskante Einsätze anschliessen will. Es bestand auch die Möglichkeit, Selbstmordattentäter zu werden. Wie weit der IS diesen Wünschen nachgekommen ist, ist aus den Dokumenten nicht ersichtlich.

«Der Beweis, dass der IS seine Geheimnisse nicht schützen kann»

An die Personalbögen des IS gelangt sind Journalisten der Rechercheverbunds von NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung. Einer der Beteiligten ist der Berliner Journalist Georg Heil vom WDR.

Anfangs sei man gegenüber den Unterlagen natürlich skeptisch gewesen, sagt Heil gegenüber «10vor10»: «Doch in den Unterlagen gibt es unzählige biographische Details, die sich überprüfen lassen: Namen, Adressen, Telefonnummern, Namen von Angehörigen etc. Und überall, wo wir diese Daten überprüft haben, haben sie einer Überprüfung standgehalten.»

Unterlagen sind strafrechtlich relevant

Recherche-Journalist Heil geht davon aus, dass die aufgetauchten Unterlagen für darin genannte IS-Anhänger auch strafrechtliche Konsequenzen haben dürften.

«Diese Unterlagen sind der Beweis dafür, dass der IS seine Geheimnisse nicht schützen kann. Das ist gut für die Strafverfolger. Anhänger, die bisher noch nicht auf Radar der Behörden waren, müssen nun damit rechnen, dass ihnen bei einer Rückkehr strafrechtliche Konsequenzen drohen.»

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