Wie tauglich ist Beznau 1 noch? Seit Monaten steht der Reaktordruckbehälter des dienstältesten Atomreaktors der Welt im Fokus. «10vor10» liegt nun ein Dokument vor, dass die vorläufigen Resultate der ersten Ultraschall-Untersuchung zeigt.
Demnach sind die Anzeigen – also die Materialfehler im Reaktordruckbehälter – durchschnittlich 7,5 mal 7,5 mm gross. Die Fehler im Material liegen im Ring C des Druckbehälters.
Die Reaktordruckbehälter in Beznau bestehen aus zusammengeschweissten Ringen aus 18 Zentimeter dickem Stahl. Ring C liegt in der Mitte.
In diesem C-Ring wurden demnach 925 solcher Anzeigen gefunden, auf einer Breite von 250 Millimetern und bis in eine Tiefe von 60 Millimetern. Diese vorläufigen Befunde präsentierte die Schweizer Atomaufsicht Ensi Anfang Oktober der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie.
«Das Herzstück der Anlage wird schwächer und schwächer»
Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) ist ob dieser Befunde beunruhigt. Alarmierend sei, dass – neben den Problemen, die Beznau sowieso schon habe – nun auch noch Materialfehler gefunden worden seien, sagt Sabine von Stockar von der SES. «Damit wird das Herzstück von der Anlage schwächer und schwächer», so von Stockar. «Das Risiko von Beznau 1 steigt.»
Im Reaktordruckbehälter findet die Kernspaltung statt. Die Brennstäbe erhitzen das Wasser auf über 300 Grad. Hoher Druck und Neutronenbeschuss belasten die 18 Zentimeter dicke Stahlwand, in der nun hunderte Einschlüsse gefunden wurden.
Die Ergebnisse sind der Beznau-Betreiberin Axpo bekannt. Ihr Sprecher Antonio Sommavilla gibt sich zurückhaltend. «Das sind keine Löcher, das sind auch keine Risse – das sind Unregelmässigkeiten im Material.» Diese Unregelmässigkeiten würden nun bewertet. «Und dann werden wir wissen, was das ist.»
Ähnliche Probleme in Belgien
Was es genau ist, weiss man auch in Belgien nicht. Aber seit drei Jahren stehen dort zwei Atomkraftwerke mit ähnlichen Problemen still. In Doel und Tihange wurden die Reaktordruckbehälter mit Ultraschall überprüft. Inzwischen ist klar: Die Reaktoren haben Tausende von Rissen.
In seiner Präsentation zeigt das Ensi einen Vergleich mit dem belgischen Reaktor Doel 3: Die Befunde in Beznau sind kleiner im Durchmesser und geringer in Anzahl, Verteilung und Tiefe.
Das beruhigt die Schweizerische Energiestiftung nicht. «Nur weil Beznau weniger Materialfehler aufweist, heisst das noch lange nicht, dass Beznau sicherer ist», sagt Sabine von Stockar. «Auch nur ein Materialfehler kann zu einem Problem führen.» Die Frage sei: «Ist das Herzstück von der Anlage von Beznau, der Reaktordruckbehälter, sicher oder nicht?» Um sicher zu sein, müsste er intakt sein, so von Stockar. «Und das ist er nicht.»
Abschalten kein Thema
Die Axpo hingegen spricht von «vorläufigen Resultaten von ersten Messungen». Diese belegten, dass die Situation in Beznau eine ganz andere sei als in Belgien, so Sprecher Antonio Sommavilla. «Sie stützen unsere Position.» Abschalten sei kein Thema. «Unsere ersten Einschätzungen zeigen, dass es keine Vorbehalte gibt für einen sicheren Weiterbetrieb der Anlage.»
Weitere Untersuchungen sollen jetzt noch genauere Resultate liefern. Dann muss das Ensi über die Zukunft von Beznau 1 entscheiden. Bis dahin steht der Reaktor weiterhin still.
(ergänzt mit Material von sda)