Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative hat die politisch umstrittene Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen der Bilateralen zusätzlich an Brisanz gewonnen. Im Verlaufe des letzten Jahres nahmen sich mehrere Studien dieser Frage an. Die Resultate wiesen auf positive Zusammenhänge zwischen dem bilateralen Vertragswerk und der Schweizerischen Wirtschaftsentwicklung hin. Damit gaben sie Bilateralen-freundlichen Wirtschaftsvertretern Aufwind.
«Widersprüchlich und betragsmässig nicht besonders spektakulär»
In einer kürzlich publizierten Studie widerspricht der Ökonom und Weltwoche-Journalist Florian Schwab der verbreiteten Meinung, auf die Bilateralen könne nicht verzichtet werden. Gemäss seinen Berechnungen beläuft sich der Pro-Kopf- Nutzen der Bilateralen jährlich auf zwischen lediglich -1050 und +2073 Franken, d.h. gut 500 Franken im Durchschnitt. Resultate vorheriger Studien seien hingegen widersprüchlich und nicht besonders spektakulär.
«Durch eine Kündigung der Bilateralen ausgelöste Verluste könnten durch andere wirtschaftspolitische Massnahmen ausgeglichen werden. Die Bilateralen können nicht als existenziell wichtig bezeichnet werden», sagt Schwab. Die Studie verfasste Schwab im Auftrag von Tito Tettamanti, Financier und ehemaliger Tessiner Regierungsrat. Sie spielt kritischen Politstimmen in die Hände.
Achtfacher Nutzen ermittelt
Rudolf Minsch, Chefökonom der Economiesuisse, erachtet die Studie von Schwab eher als ein parteipolitisches Positionspapier mit deutlich zu tiefen Zahlen denn als eine wissenschaftlich fundierte Studie. Sehr wohl würden die Bilateralen jedem Bürger nützen.
Eine noch nicht publizierte Studie, die der «Tagesschau» vorliegt, belege dies klar. Die Economiesuisse errechnete darin jährliche Wohlstandsgewinne pro Kopf von 4400 Franken. Damit profitiere der Einzelne acht Mal mehr von den Bilateralen als Schwabs Studie besagt.
Kündigung auch als politisches Problem
Auch der ehemaliger Wirtschaftsminister Pascal Couchepin wehrt sich vehement gegen Schwabs Behauptung, die Kündigung der Bilateralen sei wirtschaftlich verkraftbar. Er weist darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um ein wirtschaftliches, sondern auch politisches Problem handle. Eine Art Wirtschaftskrieg mit der EU wäre für im Inland getätigte Investitionen sowie die Stimmung im Land katastrophal.
Was der Einzelne wirklich von den Bilateralen hat, sei wohl mehr, als sich in Franken und Rappen berechnen lässt.