SRF News: Bei der Helpline des Schwulen-Dachverbandes Pink Cross sind innert drei Monaten über 100 Übergriffe auf Schwule und Lesben gemeldet worden. Überrascht Sie diese hohe Zahl?
Peter Sahli: Nein das überrascht mich nicht. Aufgrund dieser Helpline wird die Hemmschwelle abgebaut, solche Vorfälle – verbal oder physisch – endlich zu melden.
Die Hemmschwelle scheint aber immer noch hoch zu sein. Viele Betroffene melden sich zwar bei Pink Cross, trauen sich aber nicht, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Wovor haben sie Angst?
Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, warum man vor der Polizei Angst haben sollte. Vielleicht fühlen sie sich gedemütigt, um zu sagen, dass sie überfallen worden sind, weil sie der LGBT-Community angehören. Vielleicht besteht diese Hemmschwelle aber nicht mal vor der Polizei selbst, sondern sie trauen sich nicht, den Übergriff irgendjemandem zu erzählen. Und genau dem wollen wir entgegenwirken, indem wir schwulen und lesbischen Opfern sagen: ihr könnt mit jedem Problem zu uns kommen. In persönlichen Gesprächen versuchen wir dann, die Opfer zu animieren, trotzdem Anzeige zu erstatten.
Das heisst, wenn ich ein schwules Opfer bin, kann ich nach einem schwulen Polizisten fragen, der sich mir annimmt?
Grundsätzlich nicht. Wir sind der Meinung, dass jede Polizistin und jeder Polizist so eine Anzeige entgegen nehmen muss und kann. Aber wenn ein Opfer Probleme hat, einem heterosexuellen Polizisten das Vorgefallene zu erzählen, bieten wir an, zwischen Opfer und Polizei zu vermitteln. Aber die Anzeige muss dann ganz normal bei einem Polizeiposten gemacht werden. Wir sind nicht Anzeigestelle für Vorfälle gegen LGBT.
Pink Cross und einige Politiker fordern, dass man Gewalt gegen Schwule und Lesben auch in der Kriminalstatistik der Polizei erfasst. Was erhofft man sich davon? Es gibt ja dadurch nicht weniger Übergriffe.
Nein, leider nicht. Aber wenn man aus diesen Statistiken erkennen kann, an welchen Orten es zu besonders vielen Übergriffen kommt, dann kann die Polizei dort vermehrt eingreifen.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.