Woher bezieht die Schweiz in einigen Jahren den fehlenden Strom, der mit der Abschaltung von Mühleberg voraussichtlich verloren geht?
Zum einen werden wir mehr aus erneuerbaren Energien beziehen. Zum andern fliesst sicher mehr aus Europa in die Schweiz – zu günstigen Konditionen. Wir gehen davon aus, dass wir mehr und mehr in den europäischen Strom-Binnenmarkt integriert werden.
Können wir beim Strom aus Europa sagen, ob das Atomstrom oder Kohlestrom sein soll – oder eben nicht sein soll?
Grundsätzlich schon. Es gibt die Möglichkeit, einen Herkunftsnachweis zu verlangen. Für uns stellt sich aber die Frage, ob wir dies für alle als Pflicht machen wollen. Auf der Stromrechnung haben Konsumenten bereits heute klar deklariert, wie viel ist grüner, wie viel ist grauer Strom und wie viel kommt beispielsweise aus einem Kernkraftwerk.
Welchen Einfluss die Abschaltung von Mühleberg auf den Schweizer Strommarkt hat, lässt sich also nicht genau abschätzen?
Auch ohne die Produktion von Mühleberg dürfte die Versorgungssicherheit in unserem Land garantiert sein. Wir müssen uns primär gut mit Europa vernetzen. Dann können wir wie bisher weiterhin mit einer guten Versorgung rechnen.
Mit Europa laufen die Verhandlungen über ein Energieabkommen. Es geht um grenzüberschreitenden Stromhandel, um Marktzugang. Was bedeutet das für die Schweizer Verhandlungsposition, wenn die eigene Stromproduktion sinkt?
Wir beziehen heute schon relativ viel Strom aus Europa. Von dem her wird unsere Position durch die geplante Abschaltung nicht aufgeweicht. Auch in andern Ländern werden in den nächsten Jahren einzelne Kraftwerke vom Netz genommen. Handkehrum werden neue Anlagen gebaut.
Die Bernischen Kraftwerke AG BWK sagt, sie nimmt Mühleberg aus wirtschaftlichen Gründen vom Netz und nicht aus politischen. Walter Steinmann, teilen Sie diese Auffassung?
Ja, die teile ich. Die BKW hat gerechnet: "Was müssten wir investieren, wenn wir Mühleberg bis 2025 am Netz haben wollten." Sie kam zum Schluss, dass die Unsicherheit und die Investitionen zu gross wären.
Das Interview führte: Philippe Chapuis