Das erste Wolfsrudel der Schweiz sorgt in der Bündner Berggemeinde Tamins bei Chur am Fusse des Calanda-Massivs für Aufregung. Jäger sehen die Wolfsfamilie als Konkurrenz und Bauern fürchten um ihre Tiere.
«Je weiter weg man von den Wölfen lebt, desto grösser ist die Akzeptanz für die Tiere», sagt der Taminser Hobby-Jäger Marcel Kloter. «Mit einem oder zwei Tieren habe ich keine Probleme», fügt er hinzu, «aber ein Rudel, das ist einfach zu viel». Kloter und seine Jagdkollegen stellen fest, dass sie nun ein Teil des Wildes mit den Wölfen teilen müssen und es weniger zu jagen gibt.
Die «Rundschau» hat sich in Tamins ein Bild davon gemacht, wie gross die Akzeptanz des Rudels bei den Einwohnern ist. Nur wenige wollen sich dazu äussern. Niemand will als Wolfshasser dastehen.
Such-Plakat wie im Wilden Westen
Anfang Jahr schoss ein Wilderer eines der Tiere aus dem Wolfsrudel. Jetzt sorgt ein Plakat der Gruppe Wolf Schweiz für Unruhe. 10‘000 Franken Kopfgeld zahlt der Tierschutzverein für Hinweise, die zur Ergreifung des Wilderers führen. Die ortsansässigen Jäger stören sich daran, dass mit dem Bild eines schussbereiten Jägers ihre Zunft unter Generalverdacht gestellt wird.
Kritische Stimmen zum Wolf kommen auch aus der Landwirtschaft. Viehzüchter und Bauer Hanspeter Clénin befürchtet, dass er finanzielle Einbussen haben wird wegen den Wölfen. «Der Schutz meiner Viehherde im Sommer auf der Alp ist mit Kosten verbunden, die ich zum Teil selber tragen muss», sagt er. Er sei überzeugt, dass es trotz allen Massnahmen nur eine Frage der Zeit sei, bis eines seiner Kälber gerissen werde. Die Calanda-Wölfe haben bis jetzt Wild und einige Schafe gerissen. Das Vieh blieb bisher unversehrt.
Totes Hirschkalb neben der Schule
Viele der Bewohner haben das Wolfsrudel schon gesehen oder die Überreste von Tieren, die von den Wölfen gerissen wurden. Vor zwei Wochen ist in Tamins gar frühmorgens ein gerissenes Hirschkalb auf einem Waldweg aufgefunden worden. Keine 100 Meter entfernt von der Dorfschule. Laut dem zuständigen Wildhüter deutet alles auf einen Wolfsriss hin.
Angriffe extrem selten
Der Bündner Jagdinspektor Georg Brosi versucht derweil mit sachlichen Informationen die Gemüter zu beruhigen. «Angriffe auf Menschen sind extrem selten», sagt er. «Wichtig ist, dass man die Wölfe nicht anfüttert und sie in Ruhe lässt».