Am 1.September 1939 fällte der Bundesrat den Entscheid zur Mobilmachung – an dem Tag, als Hitlers Truppen in Polen einfielen. «Die aussenpolitische Lage hat sich in den letzten Tagen derart zugespitzt, dass es dringend notwendig erscheint, die Sicherheit der Landesgrenzen und den Schutz unserer Neutralität der Armee anzuvertrauen», heisst es im Protokoll der Bundesratssitzung von anno dazumal.
Die «Neue Zürcher Zeitung» berichtete tags darauf, die «totale Mobilmachung der Wehr, des Willens und des Geistes» sei im Gange. «Ein Viermillionenvolk steht auf Grenzwacht und harrt gefasst und entschlossen der Prüfungen dieser dunkeln, blutigen, mordenden Zeit.»
Viel Zeit zum Abschied nehmen blieb nicht. Denn die Gefahr sei damals gross gewesen, die Mobilmachung hastig, sagt der Historiker Thomas Maissen.
Die einrückenden Männer begaben sich zu ihrem Sammelplatz. Offenbar ging man davon aus, dass der Kriegseinsatz nicht lange dauern würde. Als Erstes mussten die Einrückenden den Fahneneid leisten.
Die Vereidigung habe den Übergang vom Frieden in die Kriegszeit gekennzeichnet, schreibt der Historiker Christof Dejung. Danach begann der Alltag in der Armee – und dieser sei sehr oft äusserst monoton gewesen.
Auch um die Ausrüstung stand es nicht zum Besten. Es fehlte vor allem an schweren Waffen, wie der Historiker Georg Kreis später schrieb. Bei Kriegsausbruch hatte die Armee beispielsweise nur 24 Panzer. Die Moral der Truppe war laut Kreis jedoch alles in allem ziemlich gut gewesen, oft besser als bei der Zivilbevölkerung.
Wenn plötzlich das halbe Personal fehlt
Die Daheimgebliebenen stellte die allgemeine Mobilmachung vor Schwierigkeiten. Die eingerückten Männer – zeitweise über 10 Prozent der Bevölkerung – fehlten in der Familie wie in der Arbeitswelt. «Das öffentliche Leben brach vorübergehend zusammen», sagt der Historiker Maissen dazu.
Bei der Migros beispielsweise reduzierte die Mobilmachung das männliche Personal um zirka zwei Drittel, wie sie am 3. September 1939 in einem Inserat in der «NZZ» bekannt gab. Auch der weitaus grösste Teil der Lastwagen sei eingezogen worden. «Ob wir Benzin für die restlichen bekommen, ist ungewiss», hiess es im Inserat. Die Kunden sollten sich aber nicht sorgen, denn die Migros verfüge über grosse Vorräte.
Ackerbaufläche erweitert
Eine zusätzliche Belastung für die Frauen und andere Daheimgebliebene brachte später die landwirtschaftliche «Anbauschlacht»: Aus Furcht vor einer Lebensmittelknappheit verfügte der Bund eine Ausweitung der Ackerbaufläche. Der Selbstversorgungsgrad stieg dadurch von 52 auf 59 Prozent.
Die Behörden waren bemüht, aus den sozialpolitischen Fehlern des Aktivdienstes 1914-1918 zu lernen, wie der Historiker Dejung schreibt. So wurde der allgemeine «Wehrmannsschutz», der spätere Erwerbsersatz, eingeführt. Zudem sicherte ein neues Gesetz die Arbeitsplätze der Wehrmänner.
Fast sechs Jahre Aktivdienst
Bis diese definitiv dorthin zurückkehren konnten, dauerte es jedoch fast sechs Jahre. Am 8. Mai 1945 ging mit der Kapitulation Deutschlands der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Der Aktivdienst dauerte gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz wegen Räumungsarbeiten noch gut drei Monate länger.
Obwohl die Schweiz weitgehend in der Zuschauerrolle war, wurde sie laut dem Historiker Kreis dennoch vom Krieg geprägt, insbesondere durch den jahrelangen Militärdienst, die Versorgungsknappheit – und durch die dumpfe Befürchtung, doch noch angegriffen zu werden.
Die Verluste der Schweiz waren im Vergleich zu den am Krieg direkt beteiligten Ländern gering: Vier Fliegeroffiziere fanden im Einsatz den Tod; durch Bombardierungen verloren 84 Menschen ihr Leben.