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Ihre Fragen zu den Wahlen «Wie ist der Rechtsrutsch zu erklären?»

Politologinnen und Politologen haben Ihre Fragen von 11 bis 13 Uhr im Livechat beantwortet.

Die Schweiz hat gewählt und rückt nach rechts. Die SVP geht als Wahlsieger hervor und ist mit grossem Abstand die stärkste Partei der Schweiz. Die Grünen verabschieden sich aus der politischen Nationalliga A, so lautet die Analyse des Bundeshausredaktors Dominik Meier. Der Mitte-Block bleibt stark genug für Mehrheiten in beide Richtungen.

Wie geht es nun weiter? Welche Überraschungen gab es am gestrigen Wahlsonntag? Was bedeuten die Resultate für die nächsten vier Jahre? Politologinnen und Politologen haben Ihre Fragen von 11 bis 13 Uhr Ihre Fragen im Livechat beantwortet.

Gäste im News-Chat

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Anke Tresch
Politologin
Universität Lausanne

Cloé Jans
Politikwissenschaftlerin
GFS Bern

Urs Bieri
Politikwissenschaftler
GFS Bern

Video
Wahlen 2023: Resultate, Analysen, Schaltungen in die kantonalen Wahlzentren und ins Bundeshaus
Aus Wahlen vom 22.10.2023.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 7 Sekunden.

Chat-Protokoll:

Wie werden sich die Wahlergebnisse auf die ukrainischen Flüchtlinge auswirken? Ist es möglich, die Einstellung derjenigen zu ändern, die arbeiten, finanziell unabhängig sind, Steuern zahlen und sich völlig selbst versorgen? Dankeschön

Cloé Jans: Die Situation für Geflüchtete mit dem neuen Parlament wird sicher nicht einfacher. Die Wahlsiegerin SVP hat ihren Sieg ganz klar auf Basis einer Anti-Immigrations/Anti-Flüchtlings-Kampagne eingefahren. Während Geflüchtete aus der Ukraine im Vergleich zu anderen Geflüchteten wohl sicher weniger Widerstand und Ablehnung seitens der SVP erfahren, geht es ihnen generell darum, Zuwanderung zu bremsen. Die aktuelle Justizministerin, die für das Thema Asyl zuständig ist, wurde in den letzten Monaten bereits scharf angegriffen und stand vor schwierigen Konstellationen im Bundesrat. Das dürfte sich sicher nicht ändern in der nächsten Zeit.

Für mich als ehemalige GLP/Grünen Wählerin waren zwei der Hauptgründe, diese Parteien nicht mehr zu wählen, die «Allianz» dieser beiden Parteien mit den «Klimaklebern» sowie die vielen «woken» Voten von Exponenten dieser Parteien. Nun tauchen aber diese beiden Gründe in den Analysen kaum auf. Ich kann mir nicht vorstellen, damit alleine zu sein, wie auch mein Umfeld bestätigt. Wie sehen die «professionellen» Politanalysten dies?

Anke Tresch: Es liegen z.Z. noch keine Daten aus Wähler:innenbefragungen vor. Ganz allgemein kann man aber aus früheren Befragungen schliessen, dass Themen wie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern oder die Rechte von (sexuellen) Minderheiten, die gerne als «woke» bezeichnet werden, gerade für die jüngeren Wähler:innen der links-grünen Parteien wichtige Anliegen sind.

Ich habe vor der Wahl einen Brief der SP bekommen, der mich zur Wahl hätte motivieren sollen. Von wo haben sie meine genauen Daten und wissen, dass ich dieses Jahr das erste Mal wählen werde?

Urs Bieri: Das ist im Einzelfall schwierig zu beantworten. Es gibt Adressbroker, die Adressen, beispielsweise durch die Teilnahme an Gewinnspielen, sammeln und leihweise anbieten. Die SP hat aber im Rahmen ihrer Telefonaktionen vor Wahlen und Abstimmungen grosse Adressbestände. Im Zweifelsfall kann ein Begehren nach Datenauskunft an die SP (vermutlich an die Sektion in der Gemeinde) gestellt werden, das sollte Licht ins Dunkle geben.

Wie lange haben die in den Nationalrat sowie Ständerat Gewählten Zeit, sich für eine der beiden Kammern zu entscheiden? Und was passiert mit dem freigewordenen Sitz?

Urs Bieri: Das ist eine spannende Frage. Ich habe auch nach kurzer Recherche keine offizielle Antwort gefunden. Vermutlich gibt es aber eine Antwort aus der Realität: Wer sich für den Ständerat aufstellt (und Chancen hat) ist nicht nur ein zentrales Gesicht der jeweiligen Partei, er oder sie investiert auch beachtlich viel Zeit und Geld in den Ständeratswahlkampf. Zudem gilt die Wahl in den Ständerat als politischer Karriereschritt, was dazu führt, dass der Weg vom Nationalrat in den Ständerat regelmässig geschieht, meines Wissens aber nie ein Ständerat/eine Ständerätin nach einem Ständeratsmandat freiwillig in den Nationalrat wechselt. Man kann davon ausgehen, dass eine Person sich bei einer Doppelwahl für das Ständeratsmandat entscheidet. Damit wird ihr Sitz im Nationalrat frei und es rückt die erste Ersatzperson von der Liste des neuen Ständerats nach.

Wieso wird der Wähleranteil im Ständerat jeweils nicht auch berücksichtigt? Beispiel FDP Nationalrat 14 Ständerat 28 Total 21 Prozent Wähleranteil und effektives Gewicht im Bundeshaus

Cloé Jans: Im politischen System der Schweiz ist der Nationalrat die Kammer des Volkes und der Ständerat die Kammer der Kantone. Der Ständerat wurde installiert, um die Angst der kleinen Kantone zu besänftigen, im neuen Bundesstaat ständig überstimmt zu werden. Bis heute gibt es darum auch das Ständemehr, das notwendig ist, damit Vorlagen angenommen werden. Die Rolle der (kleinen) Kantone in der Schweiz ist traditionell sehr stark und wird zuweilen auch kritisiert. Konkret hat eine stimmberechtigte Person im Kanton Appenzell Innerrhoden rund 40 Mal mehr Gewicht, als eine Person im Kanton Zürich. Diese Aufteilung der politischen Institutionen in National- und Ständerat war aber für die Gründung des Bundesstaates, wie wir ihn heute kennen, notwendig. Sonst hätte es wohl keine Schweiz gegeben, wie wir sie heute kennen.

Rutz erhielt «nur» gut 150000 Stimmen, viele davon stimmten wohl auch für Sauter. Wie viele braucht es, damit nicht Moser gewählt wird und was sagen Ihre Szenarien?

Anke Tresch: Es muss nun abgewartet werden, wer überhaupt zum zweiten Wahlgang antritt. Idealerweise einigen sich die Parteien innerhalb eines politischen Lagers auf eine Kandidatur, um sich nicht gegenseitig Stimmen streitig zu machen. Also Rutz oder Sauter im bürgerlichen Lager, Moser oder Leupi links-grün.

Guten Tag Ich möchte eine Initiative lancieren. Wie gehe ich vor? Welche Nationalräte müssten sich einsetzen; wen kann ich kontaktieren? Zweisprachig ab Kindergarten! Mit dem Motto: DAZ? FAZ! für alle. Es werden mehr Lehrer gefordert & Deutsch als Zweitsprache für Ausländer angeboten und finanziert! Es stört mich sehr, dass die französische Sprache nicht bereits ab Kindergarten angeboten wird. Wir wohnen 1/2 Stunde vom Berner Jura entfernt. Die eigenen Sprachen werden vergessen, zu spät begonnen, die eigene Bevölkerung zweitrangig. Für mich muss dies dringend angegangen und umgesetzt werden. Vielen Dank und freundliche Grüsse

Anke Tresch: Fragen von Schule und Kindergarten werden auf kantonaler Ebene geregelt. Ich würde Ihnen empfehlen, mit lokalen/kantonalen Behörden und Politikern/Politikerinnen in Kontakt zu treten.

Wer setzt sich ein und hält auch fest, wer von den gewählten Auserwählten Ihre Versprechen einhalten und damit wieder für die nächste Wahl zugelassen werden? Bitte GENAU BITTE auch feststellen und festhalten, wer beschäftigt das Parlament mit unnötigen Motionen, die nichts bringen und wer ist der oder die Effizienteste🍀

Urs Bieri: Wahlversprechen sind für Parlamentarier:innen nicht bindend. Dennoch ist es aus Sicht der Wählenden eine legitime Forderung, dass die gewählten Volksvertreter:innen sich für das einsetzen, was sie im Wahlkampf versprochen haben. Es darf aber nicht vergessen werden: Keine Partei in der Schweiz hat eine Mehrheit und kann damit alleine Politik machen. Ein Gesetz findet somit Mehrheiten im Parlament (und im Volk), wenn man Kompromisse eingeht. Damit müssen Parlamentarier:innen manchmal im Sinne des grossen Ganzen nachgeben und erhalten so vielleicht Zugeständnisse in anderen Punkten. Ein Wahlversprechen ist damit nicht zuletzt auch eine Absichtserklärung in bestem Treu und Glauben, während die politische Realität oft dann auch mehr Grautöne und Schattierungen verlangt. Ein Politiker, der immer hart auf seiner eigenen Position besteht, bleibt damit vielleicht seinen Wahlversprechen treu, er wird in Bern aber vermutlich sehr wenig erreichen – auch das ist vermutlich nicht im Sinne seiner Wählenden.

Der Rechtsrutsch war absehbar. Ich frage mich einerseits, warum alle so überrascht tun und andererseits, wie wir künftig als Gesellschaft komplexe und auch unbequeme Probleme nicht mit plumpem nach unten treten, sondern echten, fundierten und zukunftsorientierten Lösungen zeitnah bewältigen können. Spannend ist hier sicherlich auch die Rolle der Medien – private, öffentlich-rechtliche, analoge oder digitale. Danke!

Cloé Jans: Das nimmt einen ganz wichtigen Punkt auf. Gestern haben die Polparteien gewonnen – natürlich insbesondere die SVP, aber auch die SP. Das politische System der Schweiz (und übrigens auch von vielen anderen Ländern) wird polarisierter. Das macht die (fundierte und zukunftsorientierte) Lösungsfindung sicher nicht einfacher. Die Medien haben hier eine extrem wichtige Funktion. Aber auch Medien sind unter Druck und springen zuweilen zu schnell auf genau die lauten, knalligen, kontroversen Themen auf, die viele Klicks generieren, aber wenig wirklich zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Beispielsweise war es in überhaupt keinem Verhältnis, wie viel Berichterstattung insbesondere Anfang Jahr zum Thema «woke-Wahnsinn» stattgefunden hat, während andere Themen, die einen viel, viel grösseren Impact auf das Leben der Leute hatten – oder wo ganz dringender Handlungsbedarf bestehen würde (Stichwort EU, Gesundheitswesen,...) – kaum stattgefunden haben.

Die SVP/UDC gewinnt mit populistischen (Stammtisch-) Parolen, indem sie für komplexe Themen scheinbar einfache, aber meist nicht realisierbare Lösungen bietet. Oder, wie in der Waadt, mit verlockenden Steuersenkungen, die aber nur den Gutverdienenden zugutekommen. Warum lassen sich die Wähler so leicht verführen? Warum leisten die anderen (linken) Parteien nicht mehr Aufklärungsarbeit, die bei den Bürgern ankommt?

Urs Bieri: Politik, und insbesondere Wahlen, entscheiden sich sehr stark über die eigenen Werthaltungen und Alltagserfahrungen. Diese entscheiden, welche Aspekte in der Beurteilung von politischen Themen besonders betont oder ignoriert werden. Oder in anderen Worten: Objektive Informationen sind hier das eine, deren Gewichtung und der Abgleich mit der eigenen Lebenssituation ist das andere. Erst in dieser sehr individuellen Summe entsteht die eigene Wahrnehmung der Realität. Es scheint mir (im Wohlwollen) zu einfach, diesen wichtigen individuellen Entscheidungsprozess von aussen einfach mit einer Informationsoffensive übersteuern zu wollen.

Was ist der Grund für die Zunahme von SVP Stimmen in der Westschweiz? Warum konnte die SVP in dieser Landesregion zulegen?

Anke Tresch: Das Parteiensystem unterscheidet sich in der Schweiz traditionell zwischen den Kantonen, aber auch den Landesregionen. In der Westschweiz war die SVP lange eine Randerscheinung, während FDP und SP stark sind. Dies ist auch bei den Wahlen 2023 weiterhin so, allerdings hat die SVP enorm aufgeholt. Der Aufstieg der SVP begann Mitte der 1990er Jahre von Zürich aus und seither beobachten wir eine gewisse Nationalisierung, das heisst eine Angleichung der Verhältnisse in den Landesregionen. Die Migration war im Vorfeld der Wahlen im Sorgenbarometer auch in der Westschweiz weit oben. Die SVP konnte nun in der Westschweiz etwas stärker zulegen – sie ist aber auch von einem wesentlich tieferen Niveau aus gestartet.

An SVP. Was gedenken sie jetzt mit der Mehrheit umzugehen? Oder geht es einfach weiter wie bisher? Klima, Krankenkassen, AHV 13. Auszahlung, 10 Millionen Schweiz, Grenzen zur EU, können sie sich vorstellen, mit der Mitte und FDP zusammen arbeiten?

Cloé Jans: Eine gute Frage. Ich bin auch gespannt, die Antworten zu hören :-)

Guten Tag, meine Frage betrifft das Wahlverhalten: Ich bin Stimmenzählerin in meiner Gemeinde und mir ist aufgefallen, dass sehr viele Personen auf ihren Wahlzetteln sowohl SVP als auch SP-Kandidat:innen aufgeschrieben haben. Die beiden Parteien sind von ihrer politischen Ausrichtung sehr weit voneinander entfernt und dennoch gibt es demnach Wähler:innen, die beide Parteien gleichzeitig wählen. Gibt es mögliche Erklärungen dafür?

Anke Tresch: Dieser Fall ist sicher die Ausnahme. Tatsächlich nehmen in der Schweiz gut die Hälfte der Wählenden von der Möglichkeit des Panaschierens Gebrauch, das heisst sie geben ihre Stimmen an Kandidierende von verschiedenen Parteien. Aus Wähler:innenbefragungen sehen wir aber, dass die Wählenden meist ideologisch nahestehende Parteien unterstützen, z.B. Grüne/SP/GLP oder Mitte/FDP/GLP oder FDP/SVP. Kombinationen über die politischen Lager hinweg sind seltener; das Wählerpotential von SP und SVP überlappt sich kaum.

Wie sieht die Wahlbeteiligung bei den einzelnen Altersgruppen aus?

Cloé Jans: Das wissen wir leider erst, wenn die Nachwahlbefragungen fertig gemacht und ausgewertet sind. Vorher wissen wir nur, wie viele Leute teilgenommen haben und wo, aber nicht wer. Die ersten Analysen dazu dürften wohl in den nächsten Tagen eintreffen.

Grüezi mitenand Meine Frage: Nachdem die Mitte gestärkt wurde, frage ich mich, inwiefern nun die ständigen Blockaden der Geschäfte durch die Grünen, SVP und SP aufhören und einfacher Kompromisse gefunden werden können?

Anke Tresch: In der Schweiz sind Kompromisse seit jeher zentral. Keine Partei stellt im Parlament eine Mehrheit und auch das rechte politische Lager (SVP, FDP, kleinere Parteien wie MCG, EDU, Lega) kommt zusammen im neuen Parlament auf keine Mehrheit der Sitze. Den Mitteparteien kommt in dieser Situation eine wichtige Rolle zu, indem sie je nach Sachgeschäft Mehrheiten mit Links oder mit Rechts bilden. Die Partei Die Mitte konnte bei den gestrigen Wahlen zwar leicht zulegen, aber die politische Mitte wurde insgesamt im Parlament aufgrund der Sitzverluste von EVP und GLP eher geschwächt.

Die SVP wird als rechts eingestuft, weil sie die illegale Zuwanderung einschränken will. Bevölkerungsschutz ist ein legitimes Anliegen der Schweizer Bevölkerung. Schengen funktioniert nicht, Ausschaffungen sind nicht möglich, Deutschland, Frankreich machen Grenzkontrollen teils sogar in der Schweiz. Welches Programm hat die Linke zu diesem Thema?

Urs Bieri: Sie finden das Parteiprogramm der SP hier.

Mit dem Erstarken der SVP sowie dem durchaus positiven Abschneiden der SP liegt der Schluss nahe, dass die Wählenden sich eine soziale Schweiz wünschen. Diese soziale Schweiz aber nur mit Bürger:innen der Schweiz teilen wollen. Ist diese Schlussfolgerung gerechtfertigt?

Cloé Jans: Eine spannende Bemerkung. In der Tat gab es schon immer Kräfte im (rechts)-konservativen-Lager, die sich für einen starken Sozialstaat eingesetzt haben – mit der wichtigen Einschränkung (wie von Ihnen bemerkt), dass dieser nur den Schweizer:innen zur Verfügung steht. Es gibt Kleinparteien am rechten Rand, die solche Elemente in ihrem Programm haben (die SD, die Lega im Tessin oder auch die EDU). Im Gegensatz dazu verfolgt die SVP einen klaren Kurs, der auf einen schwächeren Sozialstaat abzielt. Das Erstarken der SVP hat darum meiner Meinung nach weniger mit dem Wunsch nach mehr Sozialstaat (für Schweizer:innen) zu tun, als mit der generellen Unsicherheit in der Welt und dem Erstarken des Migrationsthemas in den letzten Monaten.

Ist es möglich, dass die SVP nach den Bundesratswahlen nun (endlich) das EJPD übernimmt und ihre Forderungen und Wünsche in Sachen Migration mit der entsprechenden Verantwortung umsetzt?

Anke Tresch: Die Verteilung der Departemente ist Sache der Bundesräte; die Parteien können allenfalls Wünsche anmelden, können aber nichts entscheiden. Die SVP könnte das EJPD also nur übernehmen, wenn die amtierende Bundesrätin einen Departementswechsel anstreben würde.

Wie erklären Sie sich, dass die Grünen und die GLP so deutlich verloren haben? Ich vermute, es ist ihre Taktik, ihre eigentlich sinnvollen Ziele, durch gesetzlich verankerte Verbote durchsetzen wollen.

Urs Bieri: Die Verluste der Grünen und der GLP haben verschiedene Väter und Mütter: Einerseits ist der Verlust die Folge der gegenüber 2019 veränderten Themenkonjunktur. Dominiert 2019 das Klimathema, sind es 2023 eine Reihe von Themen in alle politischen Richtungen, Klima ist nur noch eines (wenn auch ein verbleibend wichtiges) von vielen. Dann profitierte die GLP 2019 von einer ganzen Reihe von idealen Listenverbindungen und gewann so eine ganze Reihe von Restmandaten, die sie 2023 fast alle wieder verlor. Und schlussendlich ist es wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die grüne Position in Klimafragen in der Legislatur 2019-2023 weniger mobilisierend wirkte, als dies 2019 in der Aufbruchstimmung der Fall war. Die Grundsatzpolitik 2019 wurde durch die Realpolitik in den letzten vier Jahren eingeholt und da zeigt sich tatsächlich, dass Mehrheiten in der Bevölkerung bei der Energiewende zwar vorwärtsmachen wollen, aber Verbote oder Eingriffe ins eigene Portemonnaie ablehnen. Zudem zeigt sich auch unter den Grünen eine Ambivalenz gegenüber den nächsten Schritten Richtung Co2-neutraler Energiepolitik. Naturschutzaspekte rieben vereinzelt im alpinen Solarbau Energiewendeaspekte und liessen teilweise das Bild einer inkonsequenten Haltung entstehen.

Was hat die Wählenden dazu bewogen, die beiden grünen Parteien weniger zu wählen als noch vor 4 Jahren? Gibt es dazu Wählerbefragungen? Zu welchen Parteien sind sie abgewandert? Dieselbe Frage habe ich bezüglich SVP, einfach unter umgekehrten Vorzeichen. Danke.

Anke Tresch: Das ist eine spannende Frage, die sicher im Zentrum der Analysen stehen werden. Z.Z. liegen jedoch noch keine Wähler:innenbefragungen vor. Grundsätzlich konnte man bei früheren Wahlen beobachten, dass Wähler:innenwanderungen zwischen ideologisch ähnlichen Parteien stattfinden, z.B. zwischen den Grünen und der SP oder der GLP und der FDP. Hingegen wechseln Wählende selten zwischen Parteien aus unterschiedlichen politischen Lagern. Das heisst, es ist nicht davon auszugehen, dass ehemalige Grüne-Wählende 2023 zur SVP abgewandert sind. Wahrscheinlich sind einige zur SP gewechselt. Allerdings blieben viele auch schlicht den Wahlen fern. Die Demobilisierung hat z.B. auch 2019 viel zum schlechten Abschneiden der SVP beigetragen: viele ihrer Sympathisant:innen nahmen damals nicht an den Wahlen teil. Vermutlich konnte die SVP diesmal wieder mehr Anhänger:innen zur Wahlteilnahme motivieren.

Im Baselland gab es im Februar 2023 kantonale Wahlen. Dabei bekamen die FDP, die GLP und die Grünen in meiner Gemeinde (Arlesheim, BL) etwa gleich viele Stimmen wie bei den Nationalratswahlen gestern. Die SP, die Mitte und die SVP konnten für die Nationalratswahlen zwischen 1000 und 2000 Stimmen dazugewinnen. Gibt es für diese Parteien eine grosse Mobilisierung bei nationalen Wahlen?

Anke Tresch: Während der Legislatur 2019-2023 haben sich bei kantonalen Wahlen die Ergebnisse der eidgenössischen Wahlen 2019 bestätigt und die Grünen und die GLP gingen vielerorts als Wahlsiegerinnen aus kantonalen Wahlen hervor, während z.B. die SP in vielen Kantonen eher verlor. Nun präsentiert sich die Lage genau umgekehrt. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Themenkonjunktur in den letzten Monaten verändert hat und auf kantonaler/nationaler Ebene nicht immer dieselben Fragen im Zentrum stehen. Man kann aber nicht allgemein sagen, dass SP, Mitte und SVP bei eidgenössischen Wahlen immer besser mobilisieren. 2019 hatte z.B. die SVP von den grossen Parteien am meisten Mühe, ihre Sympathisierenden an die Urnen zu bewegen.

Guten Tag Mich würde ein Vergleich mit Deutschland (AfD – SVP) interessieren. Was sind Parallelen, wo liegen die Unterschiede, welchen Weg hat die Schweiz gemacht, der Deutschland noch bevorsteht?

Urs Bieri: Im Unterschied zu vielen anderen westlichen Demokratien hat die Schweiz die rechtskonservative oppositionelle Bewegung schon sehr früh in die Regierung eingebunden. Die SVP hat seit 1929 einen Bundesratssitz, seit 2003 wurde der moderne Rechtskonservatismus der SVP mit einem zweiten Bundesratssitz belohnt. Die SVP ist damit schon seit langer Zeit keine reine Oppositionspartei und ist aufgrund der Parteigrösse permanent auf Koalitionen im Parlament und Regierung angewiesen. Das unterscheidet die SVP deutlich beispielsweise von einer AfD. Auf der anderen verfolgt die SVP auch in Wirtschaftsfragen eine stark rechtslibertäre Position, was sie beispielsweise von der Front Nationale aus Frankreich unterscheidet, die in Wirtschaftsfragen eher links denkt. Das führt dazu, dass einige Analyst:innen die SVP als weiter rechts einstufen, als die AFD, aber auch die Republikaner unter Trump.

Guten Tag! Wie erklären Sie sich das schwächere/stärkere Ergebnis der SVP/SP im Kanton Zürich im Allgemeinen? Auch in der Agglomeration hat die SVP in Zürich weniger (und SP mehr) Wähleranteile gewonnen als auf nationaler Ebene. Ich danke Ihnen

Anke Tresch: Grundsätzlich ist es so, dass die Prognosen auf nationaler Ebene vor den Wahlen die genauen Trends in den Kantonen nicht genau abbilden können. Die Wahlen finden in den 26 Kantonen separat statt und da sind die Kräfteverhältnisse jeweils recht unterschiedlich. Grundsätzlich ist es so, dass die SP in den grossen Städten und in der Romandie am stärksten zulegen konnte (so z.B. auch in der Stadt Genf +5 Prozent), die SVP hingegen in den ländlichen Gebieten überdurchschnittlich zulegt.

Können Sie mir erklären, warum die GLP mit minus 0,7 % Wähleranteil gleich 5 bis 6 Sitze verliert? Haben die für mich komplizierten Listenverbindungen einen starken Einfluss gehabt? Besten dank

Cloé Jans: Ja, das haben sie bestimmt. Gemäss Auswertungen hatte die GLP bei den letzten Wahlen extremes Listen- respektive Proporzglück und rund 5 Wackelsitze für sich gewonnen. Diesmal hat das so nicht mehr gespielt.

Warum verabschieden sich nicht die GRÜNEN von den Klimaklebern? Selbstschuld, wenn sie jetzt auf der Verliererbank sitzen!

Anke Tresch: Tatsächlich rufen die Klimaaktivisten mit ihren Blockaden in der breiten Bevölkerung eher negative Gefühle aus – im Gegensatz zu den Strassenmobilisierungen der sogenannten Klimajugend vor den Wahlen 2019. Die Grünen haben sich hingegen von den «Klimaklebern» distanziert, indem sie betont haben, dass sie zwar deren politischen Ziele, nicht aber deren Methoden teilen. Trotzdem wurden die Klimakleber in der öffentlichen Meinung hauptsächlich mit den Grünen assoziiert. Es ist nicht auszuschliessen, dass der eine oder die andere aus diesem Grund die Grünen bei den Wahlen 2023 abgestraft hat. Es ist hingegen nicht davon auszugehen, dass dies ein Hauptgrund für die Wahlniederlage war. Auch die allgemeine Themenlage (Krieg in der Ukraine, Immigration, steigende Preise, etc.) haben den Grünen nicht in die Hände gespielt.

Ich interessiere mich sehr für die Schweizer Politik und möchte gerne in dieses Leben eintreten. Ich will wissen, welche Voraussetzungen ich erfüllen muss und wie ich den ersten Schritt machen kann, dass ich ein Politiker werden kann. Was sind die Vor- und Nachteile dieses Berufs?

Cloé Jans: Schön, wenn Sie sich für die Politik in der Schweiz interessieren. Wir haben in der Tat ein faszinierendes politisches System, wo wir nicht nur wählen, sondern auch abstimmen können. Am besten, Sie melden sich bei einer lokalen Partei ihrer Präferenz und fragen, wie sie sich engagieren können. In der Schweiz haben wir ein Milizparlament – das heisst, insbesondere auf lokaler Ebene, aber auch bis hin zum nationalen Parlament haben die Politiker:innen in der Regel einen Beruf neben ihrem Amt. Das Amt üben Sie freiwillig aus. Sie verstehen Politik nicht als Beruf, sondern als Engagement.

Betrifft: Umsetzung von Volksabstimmung (Volkswille) im Parlament. Welche politischen Mechanismen verhindern oft die Umsetzung von Volksabstimmungen? Warum funktionieren diese Mechanismen in einer direkten Demokratie? Freue mich auf Ihre Antwort.

Urs Bieri: Ein guter Punkt: Mir scheint wichtig, die Rolle des Abstimmungsentscheids im politischen Prozess präzise zu fassen. Bei Referenden zu Gesetzen ist es deutlich geradliniger. Das Volk kennt im Augenblick den Inhalt des Gesetzes und kann deshalb auf einer weitergehenden Detailebene bestimmen, was es will. Bei Initiativen wird hingegen über einen Verfassungsartikel abgestimmt. Das Stimmvolk gibt damit die Stossrichtung vor, nicht aber die Details und befindet auch nicht darüber, ob eine Initiative aufgrund von Sachzwängen überhaupt umsetzbar ist oder nicht. Es ist in der Folge Aufgabe des normalen politischen Prozesses (Parlament für Gesetz, Behörden für Verordnungen und Umsetzung), diese Stossrichtung im Detail alltagstauglich zu machen. Auf diesem Weg wirken über alle politische Sachzwänge, aber auch Machtpolitik seitens gewählter und damit vom Volk dafür legitimierter Vertreter:innen. Falls das Parlament den Volkswillen verkennt, kann das Stimmvolk gegen die gesetzliche Umsetzung einer Initiative das Referendum ergreifen.

Ich glaube, dass die Klimakleber den Grünen stark geschadet haben. Sehen Sie das auch so?

Anke Tresch: Die Themenkonjunktur hat sich seit 2019 zuungunsten der grünen Parteien verändert. 2019 fanden die Wahlen in einem Umfeld statt, indem eine positive Dynamik rund um das Thema Klima entstand: Es fanden in ganz Europa und auch in der Schweiz regelmässig Demonstrationen für das Klima statt und die Medien haben stark darüber berichtet. 2023 ist zwar die Sorge um das Klima weiterhin präsent, aber die Mobilisierung hat nicht mehr auf der Strasse stattgefunden und es wurde in den Medien negativ über die Aktionen der Klimaaktivisten berichtet. Umfragen haben gezeigt, dass sogenannte «Klimakleber» ein Ärgernis für die Bevölkerung sind. Das hat wahrscheinlich auf die Grünen abgefärbt, kann aber für sich alleine sicher nicht die starken Verluste erklären.

Warum solidarisiert sich die FDP am gestrigen Wahlsonntag mit der Mitte und bezeichnet sich selbst als Partei der «politischen Mitte», wenn sie doch während dem Wahlkampf vielerorts Listenverbindungen mit der SVP eingegangen ist? Welche Strategie verfolgt sie damit?

Urs Bieri: Keine Partei kann in der Schweiz alleine entscheiden und alle sind auf Koalitionen angewiesen. Es ist eine Eigenart der Schweiz, dass diese Koalitionen nicht pro Legislatur fix gebaut werden, sondern bei jedem Thema neu verhandelt werden. Die FDP hat als bürgerliche Parteien in Wirtschaftsfragen eine Nähe zur SVP, in anderen, beispielsweise Europa aber nicht. Es ist für eine Partei in der Schweiz entsprechend wichtig, im politischen Alltag Koalitionen und Verbündete in verschiedene Richtungen zu suchen. Listenverbindungen während des Wahlkampfs sind ebenfalls so zu lesen: Parteien suchen sich Listenpartnerinnen, welche den gegenseitig grössten Nutzen, sprich Sitzgewinn, versprechen. Sie sind aber kein Vertrag dafür, diese Verbindung nach den Wahlen in eine systematische Symbiose umzuwandeln.

Wie viele Stimmen und welchen Platz hat Markus Gerber SVP BERN?

Cloé Jans: Markus Gerber, Meisterlandwirt aus Bellelay, hat erhalten: 85'395 Stimmen. Damit ist er die Nummer 15 auf der Liste 1 der SVP.

Guten Tag, Mich würde es interessieren, wie die nicht gewählten KandidatInnen abgeschlossen haben. Werden diese Informationen überhaupt veröffentlicht? Vielen Dank für die Aufklärung.

Anke Tresch: Das Bundesamt für Statistik veröffentlicht diese Zahlen für alle Kantone. Hier können Sie sehen, wer wie viele Stimmen bekommen hat und gewählt oder nicht gewählt wurde.

Die FDP hat keine Legitimation auf einen zweiten Bundesratssitz, die Grünen keine auf einen Bundesratssitz. Wäre hier nicht eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Grünen und GLP erforderlich, um einen breit abgestützten Kandidaten aufzustellen? Gemeinsam wären beide Parteien auf Augenhöhe mit anderen Bundesratsparteien.

Cloé Jans: Siehe Antwort unten👇. Natürlich könnten GLP und Grüne jetzt zusammen gehen und sagen: Wir wollen einen gemeinsamen Bundesrat, der das Thema Nachhaltigkeit in der Regierung verankert. Aber was ist mit anderen Themen? Sozialpolitik? Wirtschaftspolitik? Sicherheitsfragen? Da enden die Gemeinsamkeiten von GLP und Grünen halt schnell. Und es gäbe ja auch die Möglichkeit, dass die GLP mit der Mitte zusammengeht und sagt: Wir fordern einen Sitz mehr für die politische Mitte?

Guten Tag Wie sieht für Sie ein angemessener Bundesrat mit den gegebenen Wähleranteilen aus? Mit 7 Sitzen sollten 14 % Wähleranteil Berechtigung für einen Sitz geben. Nun hat die FDP noch 14,4 % und die Grünen und Grünliberalen zusammen 16,6 %. Wäre es so gesehen nicht demokratischer, einen Sitz der FDP, einem Grünen (ob liberal oder nicht) zu überlassen? Wie stehen die Chancen im neuen Parlament dazu?

Cloé Jans: Das ist natürlich die heiss diskutierte Frage der nächsten Wochen. Es war jedoch eigentlich noch nie so, dass die Verteilung der Bundesratssitze genau die Wähler:innen-Stärken abgebildet hat. Dominik Meier (SRF) hat in der Sendung «heute morgen» sogar gesagt, dass die Bundesratssitze die Wähler:innen-Stärken der neuen Legislatur eher wieder besser vertreten als in den letzten 4 Jahren (75 % der Wähler:innen sind vertreten). Es ist sicher so, dass der ohnehin schon wackelige FDP Sitz durch diese Wahl stabilisiert wurde. Das Problem für die anderen Kräfte, die nun unter/oder nicht vertreten sind, ist, dass keine Partei die offensichtliche Kandidatin für einen Sitz wäre. Und sie sind inhaltlich zu wenig auf einer Linie, als dass eine Absprache total naheliegend wäre. Geht z. B. die GLP mit der Mitte zusammen und sagt: Wir wollen einen Mitte-Sitz mehr? Oder geht die GLP mit den Grünen zusammen und sagt: Wir wollen einen Grünen Sitz? Was sich sicher immer wieder zeigt ist, dass Sitzveränderungen im Bundesrat nie von einem Tag auf den anderen geschehen, sondern eher zum Tragen kommen, nachdem sich im Parlament ein Wandel gefestigt und wiederholt bestätigt hat.

Auch wenn der Frauenanteil im Parlament sinkt, beobachte ich, dass sich kompetente Frauen in diversen Fällen gegen vermeintlich etablierte männliche Kandidaten durchsetzen konnten, etwa Flavia Wasserfallen, Petra Gössi oder Regina Durrer. In meinem Heimatkanton Thurgau errang Kris Vietze den Nationalrats-Sitz für die FDP am vor ihr auf der Liste platzierten ehemaligen Nationalrat Hansjörg Brunner vorbei. Könnte man darin endlich einen Trend sehen, dass eine (Wieder-)Wahl für Männer mit Geburtsjahr in den 60ern kein Selbstläufer mehr ist und besteht Grund zu der Hoffnung, dass noch mehr Parteien das künftig bei der Verteilung ihrer Listenplätze berücksichtigen?

Anke Tresch: In der Vergangenheit hatten Männer in der Schweiz bei einer Kandidatur bessere Chancen als Frauen, ins Parlament gewählt zu werden. 2019 war es umgekehrt: Frauen hatten erstmals bessere Chancen, gewählt zu werden, als Männer. Tatsächlich kann man beobachten, dass die grossen Parteien auch 2023 bestrebt waren, starke Frauenkandidaturen aufzubauen und nochmals mehr Frauen auf ihre Listen zu setzen als 2019. Nur bei der SVP waren die Frauen mit gut einem Viertel unter den Kandidierenden noch sehr deutlich untervertreten. Seitens der Wählerschaft konnte gezeigt werden, dass die Bereitschaft, bei gleicher Kompetenz eine Frau zu wählen, über die Zeit gestiegen ist. Allerdings müssen sich die Parteien weiterhin darum bemühen, Frauen zur Kandidatur zu ermutigen, sie zu unterstützen und auf gute Listenplätze zu setzen, wenn die Frauenvertretung auf dem aktuellen Niveau gehalten werden oder weiter ausgebaut werden soll.

Hat es schon mal gegeben das ein Kanton ausschliesslich Frauen nach Bern geschickt hat?

Urs Bieri: Obwalden schickte schon 2019 ausschliesslich eine Frau nach Bern. Vermutlich ist es aber das erste Mal, dass ein Kanton mit mehreren Sitzen nur Frauen nach Bern schickt.

Ich selbst habe Grünliberal gewählt aber ich habe Verständnis, dass die SVP punkten konnte. Es sind nicht nur die Kriege und die Migration. Unvergessen bleibt, dass es die Grünen waren, die am lautesten nach Coronamassnahmen gerufen haben. Es war Uli Maurer (SVP) der als einziger einen kühlen Kopf behalten hat und auf die gewaltigen Kosten und Folgen verwiesen hat. Jetzt steigen die Krankenkassen-Prämien und alle reiben sich die Augen woher das wohl kommt. Und es war Berset (SP) der diese Gesundheitsexperten (Taskforce) aufgelöst hat und dem Spuk damit ein Ende gesetzt hat, ein Jahr vor den Nachbarländern. Die Wähler haben das nicht vergessen. Sehen Sie das nicht auch so?

Urs Bieri: Sie betonen zu Recht: Thematisch ging es bei den Wahlen 2023 um mehr als um Kriege und Migration. Diskutiert und politisch gerungen wurde daneben um Gesundheitskosten, Klima und Energieversorgung, Kaufkraft, Altersvorsorge und Grossbanken. Alle Themen nützten oder schadeten unterschiedlichen Parteien. Das Covid-Thema spielte eine bemerkenswert tiefe Rolle. Gerade den typischen Covid-Bewegungen wie Mass-Voll und Aufrecht gelang es schlussendlich nicht, ihre Systemkritik in Parlamentssitze umzumünzen – das ist doch beachtlich für ein Jahrhundertereignis, zwei Jahre danach scheint es politisch nur noch am Rande eine Rolle zu spielen.

Wird die Mitte im Ständerat noch Sitze gewinnen? Im Moment sind es ja 10

Anke Tresch: 15 Ständeratssitze konnten im ersten Wahlgang noch nicht besetzt werden. Die Mitte hat in mehreren Kantonen gute Aussichten, ihre bisherigen Sitze zu verteidigen: so in Fribourg, wo die bisherige Isabelle Chassot im ersten Wahlgang vorne lag, sowie im Wallis, wo die beiden bisherigen Beat Rieder und Marianne Maret zwar das aboslute Mehr verpassten, im ersten Wahlgang aber vorne lagen. Auch im Tessin ist ein Sitzgewinn noch möglich.

Grüezi Wie sieht es aus mit der Altersverteilung bei diesen Wahlen? Gingen vergleichsweise mehr oder weniger jüngere Personen an die Urne? Merci

Cloé Jans: Eine spannende und wichtige Frage: Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir aber erst, in welchen Gemeinden die Mobilisierung hoch oder tief war, WER genau an die Urne ging, wissen wir nicht. Es wird ja anonym gewählt und auf dem Stimmrechtsausweis ist ja beispielsweise weder Alter noch Geschlecht hinterlegt. Um das genauer herauszufinden, braucht es sogenannte Nachwahlbefragungen, die Angaben über die Zusammensetzung der Wählenden oder ihre Motive machen. Diese basieren auf Umfragen. Die ersten dieser Analysen werden bestimmt in den nächsten Tagen publiziert.

Wieso kann die SVP als 3. stärkste Partei in Basel und stärkste Partei der Schweiz keinen Nationalrat stellen? Wie wirken sich die Stimmen aus Basel auf die Basler Kandidaten (im Proporzsystem) aus, sodass es möglich ist, dass die stärkste Partei der Schweiz nicht durch einen der 4 Basler Nationalratssitze vertreten ist?

Urs Bieri: Nationalratswahlen sind kantonale Wahlen. Damit ist ausschliesslich entscheidend, wie die Parteien im eigenen Kanton reüssieren – und welche Listenverbindungen sie eingegangen sind. Die SVP konnte in Basel-Stadt zwar auch zulegen, konnte aber mit der Listenverbindung mit der EDU nichts gegen die starken Listenverbindungen Links und bürgerlich ausrichten.

Die Mitte hat bei vielen politisch-nur-mässig-Interessierten dank ihrem Namen so zugelegt. Als CVP wäre ihr das nicht gelungen (aus Gesprächen eruiert: „Mitte“ passt zur Schweiz: die Grünen mit ihrer Kleberei, die Rot-Grünen mit ihrem Woke und Gendern nerven nur noch und das SVP Gepolter ist vielen zu dumm und trotz einigen guten Punkten zu wenig ehrlich). Ich hätte einen Vorschlag für die nächsten Wahlen, da man die vielen Köpfe ja meist nicht kennt. Statt wortreicher, schnell vergessener Interviews und mässig informativer Wahlveranstaltungen jedem Kandidaten eine lange Fragenliste vorlegen, wo er oder sie nur mit (eher) ja oder (eher) nein antworten kann, ohne Ausweichmöglichkeit («eventuell», «weiss noch nicht», «kann ich so nicht beantworten». Denn «eher» gibt Raum genug für spätere Differenzierung). So könne man in Ruhe die Antworten mit der eigenen Ansicht vergleichen. Bei hoher Übereinstimmung ist das die Person, die mich im Parlament am besten vertritt. Zur Abgleichung könnte man im Internet mit dem eigenen Raster alle Kandidaten durchsehen. Beispiele: Sind Sie für einen EU-Beitritt der Schweiz? Sollten die Steuergesetze von Grund auf der heutigen Zeit angepasst werden? Finden Sie das föderalistische System hier gut? Sind Sie für eine Einheitskrankenkasse? Sollte das Asylgesetz an heutige Tatsachen angepasst werden? Sind Sie für eine 10 Mio-Schweiz? Muss mehr dafür getan werden, dass der Kontakt/Austausch zwischen den verschiedenen Sprachregionen besser wird? Sollte der Staat (die Steuerzahler) der Wirtschaft helfen? Usw.

Anke Tresch: Tatsächlich ist es nicht einfach, sich bei der grossen Anzahl Kandidierenden ein Bild von deren Positionierung bezüglich verschiedener Themen zu machen, die für einen selber als Wähler:in wichtig sind. Abhilfe schafft da die Wahlhilfe smartvote (www.smartvote.ch). Auf dieser Plattform hat die grosse Mehrheit der Kandidierenden Fragen zu konkreten politischen Themen beantwortet. Jede Wähler:in kann dieselben Fragen beantworten und so die eigenen Präferenzen mit jenen der Kandidierenden vergleichen – nicht nur bei den eidgenössischen Wahlen zum National- und Ständerat, sondern auch bei kantonalen Wahlen.

Guten Tag miteinander Ich habe SP, Grüne und EVP gewählt. Dass es so einen Rechtsrutsch gibt, vor allem zur SVP hin, schockiert mich, obwohl es einigermassen zu erwarten war. Was ist zu erwarten von zukünftigen Vorlagen? Wie können sie eine Nein-Mehrheit finden?: – Zuwanderungsinitiative – Halbierungsinitiative – Neutralität Wie gross sind die Chancen, falls diese Vorlagen zu Abstimmung gelangen. Dann folgende Behauptung: Die SVP versteht es, recht viele Leute zu manipulieren: Emotion (z.B.: Angst/Unsicherheit schüren) steht oft über der «Ratio» (Vernunft) (bei der SVP und auch sonst). Teilen Sie diese Behauptung? Vielen Dank für Ihre Bemühungen!

Cloé Jans: Die Wahlen 2019 standen für eine Art progressiven Aufbruch. Es war die Frauenwahl und Klimawahl mit historischen Verschiebungen. Nun hat das Pendel zurückgeschlagen. Das Parlament wird wieder konservativer, die Aufbruchsstimmung ist vorbei. In unsicheren Zeiten profitieren häufig konservative Kräfte. In den nächsten vier Jahren wird es für Vorlagen, die eine offene, progressive Gesellschaft anstreben, sicher schwieriger. Sie haben wohl keine Priorität. Ebenso, wenn es um den schnellen und konsequenten Umbau hin zu einer klimaneutralen Schweiz geht. Die Vorlagen, die Sie ansprechen, sind aber grösstenteils Volksinitiativen. Die wären wohl unabhängig von der Zusammensetzung des Parlamentes an die Urne gekommen und es liegt in der ersten Linie am Volk darüber zu urteilen. Das Parlament sitzt da in der zweiten Reihe. Zur zweiten Frage: Die SVP betreibt traditionell eine politische Kommunikation, die stark emotionalisiert und auch an Ängste anspricht. Sie nutzt die klassischen Mittel einer (rechts) populistischen Partei. Die gewählte Zuspitzung wird dabei immer wieder auch als unzulässig wahrgenommen und kritisiert.

Bleibt die Mitte «offen und unabhängig» oder entsteht faktisch im Abstimmungsverhalten eine Koalition mit der SVP? Gibt es eine fortlaufende Übersicht, ob sich die Politiker*innen an ihre Wahlversprechen halten, das heisst wie sie in den Sessionen abstimmen?

Cloé Jans: In der Schweiz haben wir im Gegensatz zu anderen Ländern keine festen Koalitionen, deren Zusammenschluss Verhandlungen und Verträge vorangehen. Stattdessen bilden sich je nach Thema unterschiedliche Mehrheiten. Die Mitte-Rechts Koalition war gemäss Analysen in der letzten Legislatur in der Tat die dominierende Koalition, gefolgt von der Koalition «alle gegen die SVP». Mitte-Links gab es dagegen nur selten. Das Stimmverhalten aller Politikerinnen lässt sich auf der Website «parlament.ch» nachverfolgen. Da wird aber nicht festgehalten, ob sie sich auch so verhalten, wie sie versprochen haben.

Warum übernimmt jetzt kein SVP-Bundesrat das EJPD inkl. Asylwesen, um die Zuwanderung zu bremsen?

Urs Bieri: Die Departementszuteilung ist ausschliesslich Sache der beteiligten Bundesräte und Bundesrätinnen. Dabei spielen sowohl persönliche Neigungen der Bundesrät:innen, thematische Ausrichtung der Partei, Wechselbereitschaft der Bisherigen und wohl auch personenübergreifende Machtkoalitionen eine Rolle. Lange Rede kurzer Sinn, bei der Verteilung sprechen Viele und auch viele Einzelinteressen von der Seitenlinie mit, schlussendlich entscheiden sieben Personen alleine.

Weshalb werden in den Medien die Grünen als grosse Wahlverlierer gesehen, während die GLP über ein Drittel ihrer Sitze im Nationalrat verliert, die Grünen jedoch nur knapp 18 % im Nationalrat und konnten immerhin schon 3 Sitze im Ständerat im ersten Wahlgang sichern. Bei den Wahlen geht es doch primär um Sitze und nicht um Wähleranteile und da sehe ich die GLP als grösste Verliererin. Machen es sich die Medien hier nicht etwas zu leicht, in dem primär auf den Wähleranteil geschaut wird?

Anke Tresch: Tatsächlich haben die Grünliberalen zwar weit weniger Wähleranteile verloren als die Grünen, jedoch einen Sitz mehr (-6 Sitze im Nationalrat). Im Gegensatz zu den Wahlen 2019 hatte die GLP gestern Pech bei den sogenannten Restmandaten. Das sind Sitze, die in einer ersten Verteilrunde gemäss den Wähleranteilen nicht verteilt werden können. Wenn es z.B. in einem Kanton 10 Prozent der Stimmen für einen Sitz braucht und eine Partei 18 Prozent der Stimmen gemacht hat, dann bekommt die Partei zunächst nur einen einzigen Sitz. 8% der Stimmen bleiben somit übrig und diese werden in einem zweiten Schritt aufgrund der Listenverbindungen verteilt. Aufgrund der Sitzverluste muss die GLP sicherlich auch als klare Verliererin dieser Wahlen bezeichnet werden.

Grüezi Derzeit wird viel über die Zusammensetzung des Bundesrates diskutiert. Bei dieser Diskussion geht aber oft das Amt des Bundeskanzlers vergessen, das ja im Dezember auch neu besetzt werden muss. Welche Rolle spielt die Kanzlerwahl bei den aktuellen Diskussionen?

Urs Bieri: Eine Vorbemerkung: Der Bundesrat wird vom Parlament gewählt. Auch wenn Diskussionen zur Zusammensetzung der Regierung natürlich spannend und relevant sind, darf nicht vergessen werden, dass das Parlament solche (und unbekannte andere) Diskussion intern führt und schlussendlich unabhängig von allen öffentlichen Diskussionen in einer geheimen Wahl entscheidet. Tatsächlich macht es Sinn, das vakante Bundeskanzleramt mitzudenken, gerade auch bei der aktuellen Verteilung im Parlament mit 4 Parteien mit Wähleranteilen deutlich über 15 Prozent. Von diesen 4 haben 3 je zwei Sitzen und eine (die Mitte) nur einen. Es hat damit mathematisch eine gewisse Eleganz dieser Partei das Bundeskanzleramt zu geben. Aber wie gesagt: Das Parlament entscheidet.

Warum gewinnt die SVP im Kanton Bern mit 0.9 Prozentpunkten mehr 1 Sitz und die SP mit 3,9 Prozentpunkten mehr auch nur 1 Sitz im Nationalrat?

Urs Bieri: Wichtig ist: Nationalratswahlen sind kantonale Wahlen und die Sitzverteilung erfolgt damit auch kantonal. Die Umrechnung der an der Urne gewonnenen Stimmen auf die Sitze folgt einem komplexen Verfahren. Je nach Anzahl Sitze pro Kanton braucht es mehr oder weniger Stimmen: In einem Kanton mit vielen Sitzen im Nationalrat, wie zum Beispiel Zürich, ist der nötige prozentuale Anteil für einen Sitz viel kleiner als in einem Kanton mit nur einem Sitz wie zum Beispiel Glarus. Dann spielen Listenstimmen, Listenverbindungen und Unterlistenverbindungen eine Rolle in der Berechnung, und erst am Schluss entscheidet sich dann, welcher Sitz, welcher Partei zugeordnet wird. Und hier kann man vor allem bei den sogenannten Restmandaten Glück oder Pech haben: Das sind bei der ersten Verteilrunde übriggebliebene Sitze, manchmal genügen wenige Promille zusätzlicher Wähleranteil, damit man einen solchen Sitz erhält – oder eben nicht. 2019 hatte die GLP bei der Restmandatsverteilung grosses Glück und holte einige überzählige Sitze, 2023 war ihnen dieses Glück sichtbar nicht hold und sie verlieren viele dieser sogenannten Restmandate wieder. Darum verliert die GLP mehr Sitze als die GPS, obwohl sie deutlich weniger Wähleranteil verlieren.

Guten Tag! Für mich ist es enttäuschend, dass die Partei, die SVP, die mit Abstand am meisten Geld in den Wahlkampf stecken konnte, nun auch so viele Sitze im Nationalrat gewonnen hat. Das hat in meinen Augen schon einen sehr schlechten Beigeschmack! Wäre es nicht legitim und demokratischer, neben der Offenlegung der Parteispenden auch die Beträge für den Wahlkampf für alle auf ein gleiches Niveau zu limitieren oder ein System zu lancieren, bei dem alle Parteien die gleichen finanziellen Chancen hätten? So empfinde ich die ungleichen Möglichkeiten als sehr ungerecht und anstössig. Zudem möchte ich als Wählerin und Bürgerin nicht, dass die Wahlen finanziell derart ausarten wie in den USA. Gibt es gute Modelle, die helfen würden, eine gleichberechtigte Wahl-Basis der Parteien zu finden? Vielen Dank.

Cloé Jans: Geld spielt eine Rolle. Das ist unbestritten. Es hilft, die eigene Arbeit zu professionalisieren, sichtbar zu werden und die Leute zu erreichen. Geld bedeutet aber nicht einfach Erfolg an der Urne. 2019 hat die SVP auch am meisten Geld in den Wahlkampf gesteckt und trotzdem krachend verloren. Dieses Jahr hatten die Grünen dank einer Grossspende so viel Geld wie nie – und trotzdem verloren. In vielen Ländern gibt es eine direktere Parteienfinanzierung, die beispielsweise an die Wähler:innenstärke gebunden ist. Das mag fairer sein, zementiert dafür aber auch bestehende Verhältnisse. Mit den neuen Regeln zur Transparenz in der Politikfinanzierung ist nun immerhin ein erster Schritt in Richtung Offenlegung der Verhältnisse gemacht. Die Schweiz wurde für die bestehende Intransparenz ja häufig auch international kritisiert. Darum wäre es jetzt in erster Linie wichtig, dass hier effektiv die Regeln eingehalten werden und wir überhaupt mal herausfinden, WER wirklich, wie viel Geld wem gibt. Dann finden wir auch erst überhaupt raus, was der Effekt des Geldes im Wahlkampf wirklich ist.

Wie ist der Rechtsrutsch zu erklären?

Anke Tresch: Die allgemeine Themenkonjunktur – Fragen von Krieg, Sicherheit, Asyl, Migration – hat die SVP begünstigt. Die SVP politisiert diese Themen schon seit Jahren sehr intensiv. So konnte sie auch bei den Wahlen 2015 schon profitieren, die inmitten der Flüchtlingskrise in Europa stattfand. Umgekehrt war es für die Grünen und die GLP in diesem Kontext schwieriger, den Schwung von 2019 mitzunehmen, als die Themenkonjunktur mit den Klimaprotesten zu ihren Gunsten gespielt hat. Die grünen Parteien konnten 2023 ihre Anhänger:innen zu wenig mobilisieren.

Zauberformel ist nicht mehr korrekt, weil ein grosser Teil der Bevölkerung nicht im Bundesrat vertreten ist. Jetzt kann die Mitte als 3. stärkste Partei das ändern. Wird sie den Mut und/oder den Willen haben, den Grünen und damit den Linken, zu einem Bundesrat zu helfen?

Anke Tresch: Es ist nicht davon auszugehen, dass Die Mitte den Grünen / Linken zu einem weiteren Bundesrat verhilft. Vielmehr dürfte sie sich bei einem Rücktritt eines amtierenden FDP-Bundesrats überlegen, für sich selber einen zweiten Sitz zu beanspruchen. Die Bundesratsparteien repräsentieren nach diesen Wahlen rund drei Viertel der Wähler:innen – damit mehr, als in der vergangenen Legislatur.

Was sind die Gründe für eine so starke SVP und so schwache grüne Parteien? Was macht die SVP anders, um mehr Menschen zu gewinnen? Arbeitet die SVP mit Angstmacherei?

Urs Bieri: Einerseits profitiert die SVP 2023 von der Themenkonjunktur. Themen wie Migration und Sicherheit prägten die Diskussion und die Bevölkerung 2023, während ökologische Themen und Themen der Energiewende deutlich weniger dominierten als 2019. Andererseits ist die SVP seit Jahren Meisterin im permanenten Wahlkampf und der inneren Mobilisierung. Keine andere Partei kann die eigenen Sympathisant:innen so gut für einen Urnengang mobilisieren wie die SVP.

Wie hat sich die Listenverbindung von FDP und SVP in Baselland ausgewirkt? Danke.

Anke Tresch: Die Wahlergebnisse im Kanton Baselland widerspiegeln den nationalen Trend. Die SVP konnte ihren Wähleranteil ausbauen, die FDP hat Wähler:innen verloren. Allerdings gab es keine Sitzverschiebungen: Die SVP hält weiterhin 2 Sitze, die FDP nur einen. Die Listenverbindung zwischen diesen beiden Parteien hatte keine Auswirkungen bei dieser Wahl; es wurden keine Sitze aufgrund von Listenverbindungen vergeben. Grundsätzlich ist es so, dass die wählerstärkere Partei von einer Listenverbindung profitiert.

Guten Tag, Frage zum Nationalrat Ergebnis der GLP Zürich: Weshalb hat die GLP Zürich plötzlich 1 Sitz verloren, spät am Sonntagabend? Die Anzahl Sitze der Parteien sind doch um diese Uhrzeit klar? Es waren 5 GLP Kandidaten gewählt, um 21 Uhr, mit 1 Gemeinde noch ausstehend, oder nicht?

Cloé Jans: Der Kanton Zürich ist der Kanton mit der grössten Delegation im Nationalrat. Es ist auch der Kanton mit der grössten Anzahl Einwohner:innen. Das macht das Auszählen aufwendig und stärkere Sitzverschiebungen wahrscheinlich. Vor allem, weil normalerweise die Stadt zuletzt ausgezählt ist und die Stadt ein anderes Muster hat als die Agglomerationsgemeinden. Das heisst, die Stadt drückt oftmals Ergebnisse noch nach links. Die finalen Ergebnisse für den Kanton Zürich kamen erst relativ spät Abends rein – und bis dann waren es lediglich Hochrechnungen.

Kann man jetzt erwarten, dass die Mitte Partei wegen ihres Wähleranteils zwei Bundesräte im Bundesrat aufgrund der Zauberformel fordern wird? Oder passiert dies erst, wenn ein FDP-Kandidat zurücktritt?

Anke Tresch: Die Zauberformel ist keine formale Regel, sondern eine informelle Abmachung. Traditionell besagt sie, dass die vier wählerstärksten Parteien gemäss ihrem Wähleranteil im Nationalrat im Bundesrat vertreten sind. Die drei stärksten Parteien haben zwei Sitze, die kleinste nur einen. Gemäss diesem Prinzip könnte Die Mitte nun zulasten der FDP einen zweiten Sitz beanspruchen. Allerdings besteht auch die informelle Regel, dass amtierende Bundesräte nicht abgewählt werden. Das hat Die Mitte im Wahlkampf schon gesagt und gestern bestätigt. Insofern ist frühestens bei einem Rücktritt einer der beiden FDP Bundesräte mit einer Kandidatur der Mitte zu rechnen.

SRF 4 News, 23.10.2023, 5 Uhr;

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