In einem viersprachigen Land wie der Schweiz kommt dem Fremdsprachenlernen ein hoher Stellenwert zu. Dementsprechend ist bereits in den 1990er-Jahren der Ruf nach einem gesamtschweizerischen Ansatz laut geworden und hat im Jahr 2004 einen Sprachkompromiss nach sich gezogen. Dieser berücksichtigt den Wert der Landessprachen, stellt aber auch den Nutzen der Weltsprache Englisch in Rechnung.
Die Sprachenstrategie der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) legt das sogenannte Modell 3/5 fest. Das ist ein Modell, demzufolge die erste Fremdsprache spätestens ab dem 3. Schuljahr und die zweite spätestens ab dem 5. Schuljahr unterrichtet wird. Die Reihenfolge der unterrichteten Sprachen – ob eine zweite Landessprache oder Englisch zuerst – wird regional koordiniert. Die Voraussetzung dabei: Mit beiden Fremdsprachen soll ein vergleichbares Ziel erlangt und also ein ähnliches Niveau erreicht werden.
Sprachkompromiss gilt für alle Kantone
Die Eckwerte der Sprachenstrategie aus dem Jahr 2004 haben drei Jahre später Eingang in das HarmoS-Konkordat vom 14. Juni 2007 gefunden. Und seit Mai 2006 ist die Harmonisierung der Ziele für den Fremdsprachenunterricht in der Bundesverfassung verankert.
Aber wiewohl der Sprachkompromiss verfassungsgemäss für alle Kantone gilt, gibt es doch hier und da immer wieder politische Vorstösse, die das Modell 3/5 zu unterwandern suchen. So ist etwa im Kanton Nidwalden am 8. März 2015 eine Initiative für nur eine Fremdsprache abgelehnt worden.
Im Kanton Thurgau hat das kantonale Parlament den Regierungsrat beauftragt, den obligatorischen Französischunterricht aus dem Lehrplan der Primarstufe zu streichen (Umsetzung per 2017/2018). Und im Kanton Graubünden wird eine Fremdspracheninitiative aktuell zu einem Fall für das kantonale Verfassungsgericht, weil der Grosse Rat die Initiative für ungültig erklärt hat – und sich die Initianten nun wehren.
Die Schweizerkarte gibt also nur einen punktuellen Status Quo wieder und ist, wie dargestellt, mitnichten in Stein gemeisselt. Im Gegenteil. Im Licht der hängigen Vorstösse und Initiativen ist insbesondere um den Röstigraben noch mit viel Bewegung zu rechnen.
Bei Parteien nachgefragt
Da die Einführung der nationalen Ziele auch in den kommenden Jahren noch Thema sein wird, hat sich SRF News bei den grössten Schweizer Parteien nach einer Stellungnahme erkundigt. Zum Thema Fremdsprachenunterricht haben sie folgende Stellungnahmen abgegeben:
- Die Grünen sind sich in den eigenen Reihen uneins, ob bereits in der Primarschule eine oder zwei Fremdsprachen unterrichtet werden sollen. Die Landessprache sei in jedem Fall zuerst zu erlernen – unter anderem aus dem Grund, dass das Englisch später noch, etwa über die Musik, erlernt werden könne.
- Die SP setzt sich ein für zwei Fremdsprachen, die beide auf Primarstufe unterrichtet werden sollen. Welche Sprache zuerst kommt – ob eine Landessprache oder Englisch – sei den Kantonen zu überlassen. Sollte aber eine Fremdsprache aus dem Lehrplan gekippt werden, müsse der Landessprache Vorrang eingeräumt werden. Dies stärke den «Zusammenhalt des Landes» und «gehöre sich für ein mehrsprachiges Land.»
- Die CVP befürwortet die Erlernung zweier Fremdsprachen in der Primarschule und beruft sich – was die Abfolge betrifft – auf den massgeblichen Artikel im HarmoS-Konkordat: «Die Reihenfolge der unterrichteten Fremdsprachen wird regional koordiniert.»
- Die FDP vertritt die Haltung, «dass als erste Fremdsprache eine zweite Landessprache unterrichtet werden soll.» Das stärke den «nationalen Zusammenhalt» und sei «eine wichtige Antwort auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes». Gleichsam betont sie aber die Wichtigkeit von Englisch als Fremdsprache.
- Die BDP kämpft für das Frühfranzösisch, das noch vor dem Englisch erlernt werden soll. Als Gründe für ihre Einstellung gibt sie den «nationalen Zusammenhalt» und die «Solidarität mit der französischen Minderheit» an. In der Annahme, dass die Aufnahmekapazität bei jüngeren Kindern hoch ist, legt sie aber auch nahe, das Englisch früh zu lehren.
- Die SVP vertritt den Grundsatz, den «Föderalismus zu stärken». Jeder Kanton müsse selber bestimmen können. Sie empfiehlt allerdings, Fremdsprachen erst in der Oberstufe zu unterrichten und einer Landessprache Priorität einzuräumen.