Das Bistro der Universität Bern ist fast leer, die Gänge sind still, die Hörsäle verschlossen. Es sind Semesterferien. Doch im hintersten Gebäude, zuoberst unter dem Dach, herrscht geschäftiges Treiben. Das Team von Smartvote ist im Schlussspurt – Anfang August soll die elektronische Wahlhilfe aufgeschaltet werden.
Jeden Vormittag finden Teamsitzungen statt. Es gilt, letzte Details zu besprechen und die ausgefüllten Fragebögen möglichst aller Kandidatinnen und Kandidaten für die nationalen Wahlen im Herbst einzuholen. «Insgesamt erwarten wir dieses Jahr wieder über 3000 Kandidaten von dutzenden von Parteien», sagt Smartvote-Co-Leiter Michael Erne.
Politiker-Rangliste
75 Fragen aus dem ganzen politischen Themenspektrum werden gestellt. Soll die Schweiz mehr Kontingentflüchtlinge aufnehmen, das Bausparen fördern, einen einheitlichen Lehrplan an den Schulen einführen? Ja, eher ja, eher nein oder nein.
Es geht darum, mit relativ geringem Aufwand den Kandidaten-Dschungel zu durchblicken und zu sehen, wer politisch zu mir passt.
Das ergibt einerseits tausende von Politikerprofilen. Und weil auch Wählerinnen und Wähler die gleichen Fragen beantworten können, ergibt sich andererseits eine Rangliste. Wer steht meinen Ansichten am nächsten? «Es geht darum, mit relativ geringem Aufwand den Kandidaten-Dschungel zu durchblicken und zu sehen, wer politisch zu mir passt», sagt Erne.
Fragenkatalog hat etwas Willkürliches
Wobei Smartvote bloss ein erster Filter beim Wahlentscheid sein könne, betont Smartvote-Mitbegründer Jan Fivaz. Der Fragenkatalog habe bei aller Breite auch etwas Willkürliches.
Ausserdem hole man nur die Ansichten der Kandidaten ab, frage aber nicht nach Begründungen oder gar nach alternativen Lösungen. «Das ist eine Schwäche. Wir sind froh, dass das auch die meisten Wähler so sehen und sie Smartvote dazu nutzen, sich einen ersten Überblick zu verschaffen, sich danach aber noch vertieft informieren.»
Besonders für Wechselwähler
Jüngere Leute benutzen Smartvote häufiger als ältere, allerdings steigt das Durchschnittsalter. Besonders angesprochen fühlen sich offenbar Wechselwählerinnen und Wähler und solche, die ihre Kandidaten aus verschiedenen Parteien aussuchen. Feste Parteibindungen nehmen ohnehin ab. «Das spricht ‹Smartvote an und ist von daher durchaus ein Kind seiner Zeit», sagt Fivaz.
Die elektronische Wahlhilfe liegt im Trend. Das belegen die Wachstumsraten. Bei der ersten Ausgabe vor zwölf Jahren hat knapp die Hälfte der Kandidierenden den Fragebogen ausgefüllt. Dieses Jahr machen – wenigstens von den aussichtsreichen Kandidaten – praktisch alle mit. Darüber hinaus beteiligen sich gegen eine halbe Million Wählerinnen und Wähler – fünfmal mehr als 2003.