Die SVP, die grosse Gewinnerin der Nationalratswahlen, verfügt neu über 65 Sitze, 11 mehr als bisher. Zusammen mit den 33 Sitzen der FDP, den zwei der Lega dei Ticinesi und dem einen des Mouvement citoyens romands (MCR) hat die SVP eine Mehrheit von 101 der 200 Sitze im Nationalrat.
Damit wird die Zusammenarbeit und die Konsensfindung harziger. Komplett verändert hat sich Bundesbern jedoch nicht. Erstens, weil Entscheide nicht nur im Nationalrat gefällt werden, sondern auch im Ständerat – in dem es keine Rechtsmehrheit geben wird. Der Ständerat wird weiterhin korrigierend und pragmatisch wirken.
Keine Einigkeit in der Aussenpolitik
Zweitens sind die Rechtsbürgerlichen nicht ein geschlossener Block. Theoretisch hätten sie zwar nun eine Mehrheit im Nationalrat. Bei den einzelnen politischen Themen sind sie sich jedoch nicht immer einig, zum Beispiel in wichtigen aussenpolitischen Fragen. Grösser ist die Einigkeit in der Innenpolitik. So dürfte etwa der Spardruck steigen.
Ausserdem werden es die Klimapolitik und die Energiewende schwerer haben. Zum einen wegen der Stärke der Bürgerlichen, zum anderen wegen der Schwäche der Grünen und Grünliberalen. Damit dürfte auch hinter der kürzlich wieder diskutierten Preiserhöhung für die Autobahnvignette ein grosses Fragezeichen stehen, wie auch hinter anderen Mehrbelastungen für Autofahrer.
Rentenerhöhung auf der Kippe
Einen schwereren Stand dürfte künftig zudem die Rentenreform von SP-Bundesrat Alain Berset haben. Insbesondere die Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken, die der Ständerat beschlossen hat, könnte rückgängig gemacht werden. Die Bürgerlichen werden eine Reform, welche die Wirtschaft belastet, bekämpfen.
Dabei wird die Mitte weiterhin eine wichtige Rolle spielen, trotz ihrer Verluste. Denn die BDP und die Grünliberalen haben weiterhin Fraktionsgrösse. Und die CVP hat nur marginal eingebüsst. Damit wird die Mitte auch in Zukunft häufig das Zünglein an der Waage sein – wenn sie zusammenarbeitet und ihre Kräfte bündelt.
Bundesratssitz der BDP offen
Ob die Mitte den Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf halten kann, ist derzeit offen. Die BDP-Politikerin muss sich überlegen, ob sie das Risiko einer Bundesratswahl und damit einer Abwahl noch einmal eingehen will. Jetzt wäre für sie kein schlechter Zeitpunkt, Adieu zu sagen. Widmer-Schlumpf hat zum einen grundlegende Reformen des Finanzplatzes umsetzen können. Zum anderen hat die BDP bei den Wahlen nicht viel verloren. Widmer-Schlumpf könnte also erhobenen Hauptes ihren Bundesratssessel räumen.
Wenn die SVP Chancen auf einen zweiten Sitz im Bundesrat haben will, muss sie einen Kandidaten oder eine Kandidatin präsentieren, die über Parteigrenzen hinweg für das ganze Land denkt. Mit ihrem historischen Wahlsieg kann die SVP jedenfalls ihren Anspruch auf einen zweiten Sitz besser untermauern.