Vor vier Jahren war Fukushima in aller Munde – heute ist die Katastrophe in den Hintergrund gerückt. Droht nun in der Schweiz der Ausstieg aus dem Atomausstieg?
In der «Freitagsrunde» diskutieren in Luzern drei ehemalige Parlamentarier die Herausforderungen der Energiepolitik:
- Cécile Bühlmann, Alt-Nationalrätin Grüne/LU und Stiftungsratspräsidentin für Greenpeace Schweiz
- Erika Forster, Alt-Ständerätin FDP/SG und Stiftungsrätin des Landschaftsschutz Schweiz
- Carlo Schmid, Alt-Landammann CVP/AI und Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission des Bundes.
«Der Atomausstieg ist keine beschlossene Sache»
Zurzeit ist die Situation folgende in der Schweiz: Die laufenden Atomkraftwerke bleiben vorerst am Netz. Bei Bedarf können ihre Einzelteile auch ersetzt werden. Droht nun ein «Ausstieg aus dem Ausstieg»? Für Cécile Bühlmann steht fest, dass der Ausstieg kommen wird. Die Frage sei wann und ob man dazu die Laufzeit der Kraftwerke beschränken müsse.
Dem entgegnet Carlo Schmid: «Der Atomausstieg ist keine beschlossene Sache. Es gibt zwar einen Beschluss des Bundesrates und einen Beschluss der Räte, doch einen Volksbeschluss gibt es nicht.» Beschlossen sei derzeit nur, dass keine neuen AKWs gebaut und die bestehenden weitermachen würden.
Bühlmann findet das sehr problematisch: «Wir haben den ältesten AKW-Park der Welt. Alle technischen Produkte werden mit der Zeit unsicher. Deshalb bedeutet Beznau ein Hochrisiko und muss sofort vom Netz.»
«Niemand weiss, wohin mit der verseuchten Erde»
Für Erika Forster gibt es hingegen keinen Grund zur Panik: «Fukushima und Mühleberg sind zwar derselbe Reaktortyp, die Sicherheitsvorkehrungen unterscheiden sich jedoch stark. In Japan wurde nicht nachgerüstet. Ausserdem wurde der Reaktor nahe am Meer gebaut.»
Cécile Bühlmann findet, dass die Schweiz dennoch nicht genug von Fukushima lernen könne. «Bis heute wurde kein Problem gelöst. Es arbeiten immer noch 100 Personen auf der Baustelle und niemand weiss, wohin mit der verseuchten Erde.»
«Mir ein Windrad lieber als alle Risiken der Atomkraft»
Der Atomaussteig ist nur ein Aspekt der Energiewende. Auch an der Frage, wie fehlende Energie ersetzt werden soll, scheiden sich die Geister. Carlo Schmid rechnet vor, dass es 9000 Solaranlagen in der Grösse des Berner Stade de Suisse bräuchte, um die fehlende Energie zu erzeugen. «Die Energiefreundlichkeit wird am Landschaftsschutz scheitern», ist Schmid überzeugt.
Erika Forster pflichtet Schmid bei: «Ich habe Mühe mit der Vorstellung, dass man die erneuerbaren Energien dem Naturschutz gleichsetzt. Der Landschaftsschutz ist dann gewissermassen ausgehebelt.»
Für Cécile Bühlmann geht es bei der Frage nach dem Ersatz der Atomenergie um eine Güterabwägung. «Wenn ich bedenke, was die Atomenergie für negative Folgen hat – von den Uranminen bis hin zur Frage der Endlagerungen – dann ist mir ein Windrad lieber als alle Risiken der Atomkraft.»
Zahnlose Lenkungsabgaben?
Neben Förderinstrumenten zur Stromproduktion sollen auch Lenkungsabgaben helfen, den CO2-Ausstoss zu verringern. Allerdings sollen diese nur auf Brenn- und nicht aber auf Treibstoffe, sprich Benzin, entfallen.
Erika Forster und Cécile Bühlmann finden diese Beschränkung falsch. Benzin solle zwingend zur Reduktion des CO2-Austosses besteuert werden.
Anders sieht dies Carlo Schmid, der regionalpolitische Aspekte geltend macht. «Es kann nicht sein, dass Leute besteuert werden, wenn sie in abgeschiedenen Bündner Tälern mit dem Auto zur Arbeit fahren.»