SRF News: Sind Sie von den schlechten Detailhandelszahlen 2015 überrascht?
Thomas Hochreutener: In ihrer Ausprägung schon. Wir haben vielleicht 1,5 bis 2 Prozent erwartet, wobei wir ganz klar unterscheiden müssen: Der Lebensmittelbereich stagniert. Aber im Non-Food-Bereich haben wir einen starken Rückgang. Bei Mode und Bekleidung gab es im letzten Jahr ein markantes Minus von 5 Prozent. Es gibt einige Firmen, die nicht mehr auf dem Markt sind. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres zeichnet sich sogar ein noch stärkerer Rückgang ab.
Das Minus kommt daher, dass einige Ladenketten zugemacht haben?
Einige mussten dicht machen, andere haben die Preise markant gesenkt. Und wenn die Kundinnen und Kunden einkaufen, kaufen sie nicht zwei oder drei Paar Hosen, nur weil sie jetzt 10 Prozent günstiger sind. Also hat man am Schluss weniger in der Kasse, während die Kosten gleichbleiben. Das wirkt sich dann voll auf die Marge aus.
Die Alternative zur Rabattschlacht wäre wirkliches Marketing.
Das heisst, der Preiskampf macht sich in den Gesamtumsätzen bemerkbar?
Ja. Wir haben heute praktisch das ganze Jahr über Ausverkauf statt wie früher nur zweimal pro Jahr. Es wird teilweise mit 20, 50 oder sogar 70 Prozent Rabatt gelockt. Manchmal schon im Mai für die kommende Sommersaison, also sehr früh. Wenn man die Preise so stark senkt, wird es natürlich schwierig, die Umsätze zu halten.
Hält der Trend zu immer mehr Rabatten an? Oder kommen wir an einen Wendepunkt?
Ich hoffe, dass wir an so einen Punkt kommen. Denn es ist ein Teufelskreis: Die Leute gewöhnen sich an Rabatte und kaufen dann nicht mehr zu Normalpreisen ein. Nächstes Mal erwarten sie, dass wieder Rabatte gewährt werden. Und die sollen dann auch noch immer höher sein. Dieser Kreis sollte einmal durchbrochen werden.
Was wären die Alternativen zu der Rabattschlacht, wie sie heute stattfindet?
Die Alternative wäre wirkliches Marketing. Es gibt schöne Beispiele wie etwa Nespresso. Ich habe noch nie gesehen, dass Nespresso 20 oder 50 Prozent Rabatt gibt. Aber es funktioniert. Die Leute kaufen die Kapseln trotzdem. Aber es braucht natürlich auch den Durchhaltewillen und sehr grosse finanzielle Mittel, um anfängliche Durststrecken durchzustehen. Und diese haben nicht alle.
Das Gespräch führte Samuel Emch.