SRF: Andrew Gowers, weshalb hat die Rohstoffbranche in der breiten Öffentlichkeit einen so miserablen Ruf?
Andrew Gowers: Tatsächlich haben wir in Sachen Reputation einiges nachzuholen. Zudem müssen wir deutlicher erklären, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun.
Empfinden Sie die massive Kritik an der Rohstoffbranche als fair?
Es zeigt einfach die vorherrschenden Missverständnisse in Bezug auf unser Rollenverständnis auf. Das ist aber nicht die Schuld der Öffentlichkeit, sondern die der Branche. Der Rohstoffsektor hat zu wenig getan, um zu erläutern, welche wichtige Rolle wir in der Weltwirtschaft spielen. Wir fördern die Rohstoffe. Diese sind essenziell für wirtschaftliches Wachstum. Daraufhin transportieren wir sie bis zum Endkunden – also dorthin, wo die Rohstoffe verbraucht werden.
Unsere Aufgaben reichen also von der Logistik, über das Risikomanagement, den Finanzen, dem Abschluss von Versicherungen bis hin zum Transport. Letztlich organisieren wir die globale Lieferkette.
Der Rohstoffsektor hat zu wenig getan, um zu erläutern, welche wichtige Rolle wir innerhalb der Weltwirtschaft spielen.
Wenn die Rolle der Rohstoffhändler so simpel ist, stellt sich die Frage, weshalb die Branche die Öffentlichkeit scheut wie der Teufel das Weihwasser.
Traditionell wurden Rohstoffkonzerne als private Unternehmen konzipiert und die Unternehmensform dementsprechend aufgebaut. Deshalb konnten es sich die Rohstoffunternehmen für eine Weile leisten, geschäftsrelevante Daten zurückzuhalten. Doch die Situation hat sich verändert. Die Unternehmen sind sehr stark gewachsen – und mit diesem wirtschaftlichen Erfolg stieg auch das öffentliche Interesse.
Wir von Trafigura haben mittlerweile erkannt, dass wir uns nicht mehr so verhalten können. Wir wollen uns nicht mehr verstecken. Vielmehr möchten wir uns wie ein börsennotiertes Unternehmen verhalten – selbst, wenn wir das nicht sind.
In Steuerfragen ist die Schweiz ein wettbewerbsfähiger Standort.
Sieben der zehn umsatzstärksten Unternehmen in der Schweiz stammen aus dem Rohstoffsektor. Gleichzeitig verschweigt die Branche die geleisteten Steuerschulden. Weshalb?
Wir liefern jedes Jahr 10 bis 20 Prozent unserer Erträge den Steuerbehörden ab. Das können Sie unserem Geschäftsbericht nachlesen. Allerdings weisen wir die Steuerzahlungen nicht länderspezifisch aus. Mir ist aber kein Unternehmen bekannt, welches die geleisteten Steuerzahlungen auf die einzelnen Länder aufschlüsselt.
Dennoch haben sich die Rohstoffkonzerne in der Schweiz gerade deshalb niedergelassen, weil ihnen einzelne Kantone tiefe Unternehmenssteuern bieten.
In Steuerfragen ist die Schweiz tatsächlich ein wettbewerbsfähiger Standort. Das gilt aber auch in Bezug auf die internationale Offenheit, welche uns in Genf, Zug oder Lugano entgegenschlägt – und den Grad an Lebensqualität, den wir in der Schweiz vorfinden. Auch die Infrastruktur funktioniert. Wir finden hierzulande qualifizierte Leute. Zudem können wir uns mit Banken austauschen, die sich auf Handelsunternehmen spezialisiert haben.
Und die Branche erfreut sich schwacher Regulierungen.
Der Rohstoffsektor wird sehr wohl reguliert – nämlich durch die Banken. Wir sind von den Banken, den Kapitalmärkten und den Derivatmärkten, wo wir unsere Geschäfte absichern, abhängig – und die Finanzbranche ist reguliert.
NGOs dürfen übertreiben und Kampagnen gegen uns führen
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sehen das anders. Sie fordern rechtsverbindliche Standards.
Diese Forderung ist problematisch. Es ist eine Sache, Empfehlungen abzugeben und uns aufzufordern, Normen in Fragen der Menschenrechte, der Transparenz und des Umweltschutzes einzuhalten. Übrigens: Wir setzen die Empfehlungen des Bundesrates im Detail um. Es ist jedoch eine ganz andere Sache zu fordern, Empfehlungen in ein Gesetz zu giessen. Die Schweiz würde somit zum Sonderfall oder zu einer Anomalie – und das wäre problematisch für die Rohstoffbranche und die Schweizer Volkswirtschaft.
Die Nichtregierungsorganisation Public Eye hält dagegen, mit dieser Intransparenz würde die Reputation der Schweiz geschädigt.
Public Eye hat seinen Beitrag dazu beigetragen, dass der Ruf des Wirtschaftsstandortes Schweiz gelitten hat. Selbstverständlich dürfen NGOs übertreiben und Kampagnen gegen uns führen. Die Realität sieht anders aus. Doch gerade weil die Rohstoffunternehmen und die Industrie in einem Vakuum agieren, können die Nichtregierungsorganisationen ihre eigenen Geschichten erzählen. Das ist der Grund, weshalb wir daran arbeiten, die Realität darzustellen.
Dennoch stellt sich die Frage, weshalb rohstoffreiche Staaten nach wie vor von massiver Armut betroffen sind.
Die Ressourcen stammen meist aus Ländern, in denen eine mangelhafte Rechtstaatlichkeit vorherrscht. Deshalb haben wir uns selbst strenge Compliance-Regeln auferlegt. Wir verfolgen eine Null-Toleranz in Sachen Korruption.
Darüber hinaus beteiligen wir uns an einer Initiative zur Offenlegung von Zahlungen an Regierungen. So weiss beispielsweise die Bevölkerung in Nigeria oder Ghana, welche finanzielle Entschädigung die nationale Ölfirma für die Rohstoffe erhalten hat. An dieser Initiative beteiligen sich gegen 50 Staaten. Und Trafigura ist das erste Handelsunternehmen, welches sich daran beteiligt.
Das Gespräch führte Marc Lehmann.