Das Freihandelsabkommen mit China sollte die nächsten 15 Jahre Einsparungen zwischen 5 und 6 Milliarden Franken bringen – dank Zollreduktionen und anderen Handelserleichterungen. Das wurde der Schweizer Wirtschaft versprochen, als das Abkommen am 1. Juli 2014 in Kraft trat. Doch ein Jahr später spüren Unternehmen nichts davon. Im Gegenteil: In der Medizinaltechnik-Branche hat sich der Export nach China massiv verteuert und verlangsamt.
Im Fall des Medizinaltechnik-Unternehmens Schaerer Medical aus dem bernischen Münsingen haben sich die Zulassungsgebühren verfünffacht. Geschäftsführer Hans Rudolf Sägesser kann zudem seit April seine Hightech-Operationstische nicht mehr nach China einführen.
Er sagt: «Die regulatorischen Anforderungen, die die Chinesen stellen, sind 2014 noch einmal massiv erhöht worden. Wir sind heute mit der Tatsache konfrontiert, dass Prüfzertifikate von akkreditierten europäischen Prüfinstituten nicht mehr akzeptiert werden und man sämtliche Prüfungen in China noch einmal wiederholen muss.»
Für ihn steht fest: «Das Freihandelsabkommen ist katastrophal für uns, weil es zu einen Ungleichgewicht zwischen der Schweizer und der chinesischen Industrie führt. Es legt uns massive Steine in den Weg, um in den chinesischen Markt einzutreten.»
Man hat sich zu stark auf den Zoll konzentriert.
Der China-Chef von Mathys in Schanghai, Urs Mattes, kann derzeit drei neue innovative Hüftgelenke nicht einführen, weil der Zulassungsprozess zu aufwendig und teuer geworden sei.
Er ist überzeugt, das Freihandelsabkommen sei schlecht verhandelt worden: «Die Probleme im chinesischen Markt liegen nicht am Zoll, und das ist wahrscheinlich das Problem dieses Freihandelsabkommens: Man hat sich zu stark auf den Zoll konzentriert statt auf die richtigen Hemmnisse im chinesischen Markt wie zum Beispiel Zulassungen.» Weil solche Aspekte im Freihandelsabkommen nicht angesprochen worden seien, habe sich die Situation von Mathys in China erschwert.
Dass es Zulassungsverfahren gibt, ist normal.
Der Handelschef des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, Christian Etter, hat das Abkommen mit den Chinesen verhandelt. Er weist sowohl Kritik als auch Forderungen nach Neuverhandlungen zurück: «Dass bei gewissen Produkten wegen Zulassungsänderungen Schwierigkeiten entstehen, das mag sein. Aber grundsätzlich funktioniert das Freihandelsabkommen sehr gut.»
Zu den Firmen, die unter Verkaufsstopps und Umsatzeinbrüchen leiden, sagt er: «Das muss man einfach realistisch sehen: Das Freihandelsabkommen senkt in erster Linie die Zölle, es beseitigt Diskriminierungen. Aber dass es Zulassungsverfahren gibt, das ist normal, das gibt es auch in der Schweiz. Und die werden vom Freihandelsabkommen nicht berührt.»
Auf die Forderung nach einem Zusatzabkommen, das die gegenseitigen Zertifikate anerkennt, sagt Etter: «Wenn die Chinesen zur Erkenntnis kommen, die Schweiz ist ein genügend interessanter Markt, dass wir unsere Vorschriften einander annähern, kann man durchaus solche Dinge mit der Zeit diskutieren, aber das wäre ausserhalb des Freihandelsabkommens.»
Auch Nahrungsmittel- und Pharma-Chemie-Branche monieren
Es ist nicht nur die Medizinaltechnik-Branche, die moniert, dass die Einsparnisse durch das Freihandelsabkommen am Zoll von zusätzlichen Kosten in der Zulassung eliminiert würden. In der Nahrungsmittelindustrie konnten gemäss Verband Fial (Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien) etliche Firmen bisher nicht von Zollreduktionen profitieren. Fast schon systematisch würden ständig neue Hürden kreiert.
Leider harze es in der Umsetzung des Abkommens in China, schreibt auch der Verband der wichtigsten China-Exporteure, der Pharma-Chemiebranche. Laut Scienceindustries dauert die Zollabfertigung von präferenzberechtigten Warensendungen zum Teil doppelt so lange wie vorher. «Mittlerweile überlegen sich viele Unternehmen, ob sie die mögliche Zollreduktion überhaupt noch nutzen wollen, da sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis verschlechtert.» Von der chinesischen Botschaft war keine Stellungnahme erhältlich.