Experten erwarten von der Europäischen Zentralbank einen gezielten Schlag gegen die aktuelle Mini-Inflation und Konjunkturschwäche. Notenbank-Präsident Mario Draghi wird die Entscheidung des EZB-Rates am Nachmittag in Frankfurt erläutern.
Laut Marianne Fassbind, Wirtschaft-Expertin von SRF, könnte die EZB drei Massnahmen ergreifen.
- Sie dürfte den Geschäftsbanken noch höhere Strafzinsen aufbrummen. Konkret könnte sie den Einlagensatz von -0,3 Prozent auf -0,5 Prozent senken.
- Sie könnte das Kaufprogramm von Wertpapieren und Staatsanleihen weiter ausweiten. Gemäss Fassbind ist nicht nur damit zu rechnen, dass die EZB die monatlichen Ausgaben von 60 Milliarden auf bis zu 80 Milliarden Franken erhöht. Das Kaufprogramm könnte auch über den März 2017 hinaus verlängert werden.
- Sie könnte den Leitzins allenfalls nicht nur auf den rekordtiefen 0,05 Prozent belassen, sondern diesen gar ins Negative drehen.
Es ist davon auszugehen, dass die EZB grundsätzlich schärfe Massnahmen in die Wege leitet als noch im vergangenen Dezember. Denn als die Notenbank damals über entsprechende Schritte informierte, haben diese die gewünschten Reaktionen verfehlt. «Die Märkte haben damals verhalten bis negativ reagiert», so Fassbind.
EZB könnte SNB unter Druck setzen
Wie Wirtschafts-Expertin Fassbind weiter betont, würde vor allem die dritte Massnahme die Schweiz belasten – und die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter Zugzwang bringen. Der Grund: Würde sich die Zinsdifferenz zwischen Europa und der Schweiz verkleinern, hätten die Anleger einen umso grösseren Anreiz, in den Franken zu investieren. «Dann stünde die SNB unter Druck, dass auch sie den Leitzins noch einmal senkt.»
Die Finanzpolitik der Schweizer Währungshüter hängt aber nicht nur vom heutigen EZB-Entscheid ab, sondern auch vom Verhalten der amerikanischen Notenbank. Dazu Fassbind: «Würde die Fed den Leitzins am kommenden Mittwoch von 0,25 auf 0,5 erhöhen, würde der Druck auf die SNB wegfallen.»
EZB will Inflation anheizen und Konjunktur ankurbeln
Wenn die EZB den Leitzins tief belässt oder weiter senkt, will sie via Geschäftsbanken die Wirtschaft ankurbeln; das viele billige Geld soll über Geschäftsbanken in Form von Krediten bei Konsumenten und Unternehmen ankommen.
Ferner versucht sie, mit der lockeren Geldpolitik die Inflation anzuheizen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise wie zuletzt gelten als Risiko für die Konjunktur. Der Hintergrund: Unternehmen und Konsumenten könnten in der Hoffnung auf noch tiefere Preise Anschaffungen aufschieben.
Kurs der EZB sorgt auch für Kritik
Doch es gibt Experten, welche den Kurs der EBZ kritisieren. Sie wenden ein, dass eine tiefe Teuerungsrate vor allem eine Folge gesunkener Ölpreise sei und die Konjunktur antreiben könnten.
Und auch die Strafzinsen für die Banken erachten sie als riskant. Wenn den Geschäftsbanken durch die negativen Einlagensätze Kosten entstehen, könnten sie die anfallenden Kosten schlimmstenfalls auf ihre Kunden abwälzen. SRF-Expertin Fassbind fügt an: «Negative Zinsen sind zudem schlecht für Sparer und Pensionskassen.»