Das Versprechen klang verlockend, ja gar verführerisch: Er habe den genetischen Code der Börse geknackt und ein Programm geschrieben, das automatisch investiere, behauptete der Financier Dieter Behring. Hunderte von Anlegern investierten darauf zwischen 1998 und 2004 in die nebulösen Konstrukte Behrings. Doch die Blase platzte und Behring geriet ins Visier der Justiz. Es wird ihm vorgeworfen, Anleger mit hohen Zinsversprechungen angelockt und um mehrere hundert Millionen Franken betrogen zu haben. Rund 2000 Investoren sind betroffen.
Ein «urmenschliches» Verlangen
Doch wieso schenkten so viele Anleger den steilen Versprechungen Behrings Glauben? «Gier schaltet den Verstand aus», sagt der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. Bei der Aussicht auf hohen Gewinn sofort zuzuschlagen, sei eine «urmenschliche» Eigenschaft. «Als die Menschen noch vor wilden Tieren fliehen mussten, waren schnelle Entscheidungen gar überlebenswichtig», erklärt Fichter. Im Anlegerverhalten seien solche Schnellschüsse jedoch suboptimal.
Nicht nur Otto-Normalverbraucher investierten beim einstigen Börsenguru: Erfahrene Investoren und Finanzberater brachten Geld und Kunden. Es sei ein Vorurteil, dass Profis sich intelligenter verhalten würden als Normalsterbliche, sagt Fichter: «Studien zeigen, dass auch erfahrene und vermögende Personen oft den inneren Schweinehund nicht überwinden können.» Hinzu komme, dass sich auch diese Leute von komplexen Begrifflichkeiten täuschen liessen. Hier soll auch Behrings grosses Talent gelegen haben. Dem Financier wird nachgesagt, dass er es verstand sein kompliziertes System auf überzeugende Weise zu vermarkten.
Wer in Saus und Braus lebt, kann was
Bemerkenswert war nicht nur Behrings Verkaufstalent, sondern auch sein Lebensstil: In der Basler Altstadt richtete er sich eine luxuriöse Wohnung ein. In seinem Weinkeller lagerte er teuersten Wein. Auch aus der Anklageschrift wird ersichtlich, dass Behring dem Luxus zugetan war. So soll er über fünf Millionen Franken der auf betrügerische Weise erlangten Gelder für Schmuck und Uhren ausgegeben haben.
Für gewisse Leute zeigt der luxuriöse Lebensstil des Financiers, dass er ein erfolgreicher Mann sein muss.
Müssten bei diesem prunkvollen Lebenswandel nicht die Alarmglocken bei den Investoren läuten? «Im Gegenteil», sagt Fichter. «Für gewisse Leute zeigt der luxuriöse Lebensstil des Financiers, dass er ein erfolgreicher Mann sein muss.» Wer bescheiden auftrete, habe es ungleich schwerer und müsse umso mehr mit seinem Geschäftsmodell überzeugen. Der Wirtschaftspsychologe relativiert jedoch, dass ein Grossteil der Menschen dem Ganzen wohl skeptisch gegenüberstehen würde. «Sonst hätten wir ja alle bei Behring investiert.»
Ein Skandal aus einer vergangenen Zeit?
Über ein Jahrzehnt ist seit den Aktivitäten Behrings vergangen. Finanzskandale beherrschten seither die Schlagzeilen. Fichter glaubt denn auch, dass die Leute vorsichtiger geworden sind und sieht in den vergangenen Skandalen einen «reinigenden Effekt». «Es ist ein allgemeines Misstrauen entstanden. Das Image von der Idee, Geld zu vermehren, hat gelitten», so der Wirtschaftspsychologe.
Dennoch: Ist eine Affäre à la Behring in Zukunft auszuschliessen? Fichter hält es für wichtig, dass ein solch warnendes Beispiel im kollektiven Gedächtnis präsent bleibt. «Ich habe die Hoffnung, dass Filme oder Bücher über Finanzskandale unser Verhalten ändern.» Doch der urmenschliche Trieb nach schneller Gewinnmaximierung wird nicht so schnell verschwinden.