Abdolreza Abassian ist Ökonom bei der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO). Seit Jahren erstellt er den Nahrungsmittelindex. «Es gibt zur Zeit mehr Grundnahrungsmittel, als der Markt nachfragt», sagt er. «Das hat mit der reichen Ernte zu tun. Gleichzeitig ist die Nachfrage zurückgegangen.»
China brauche weniger, weil es selber mehr produziere. Und schliesslich seien die Produktionskosten wegen des tiefen Ölpreises gesunken. Der Ökonom erwartet nicht, dass die Nahrungsmittelpreise mittelfristig steigen.
«Man könnte meinen, dass ein grosser Agrarexporteur wie Brasilien seine Lebensmittelproduktion wegen des Preiszerfalls herunterfährt. Das ist aber nicht der Fall, im Gegenteil», konstatiert Abassian. Brasiliens Landwirtschaft sei sehr konkurrenzfähig, weil die Landeswährung billiger geworden sei. Auch Chinas Bauern produzierten immer mehr, denn sie erhalten von der Regierung Fördergelder.
Risiko neuer Hungersnöte wächst
Die tiefen Nahrungsmittelpreise freuen die Konsumenten weltweit. Auch die Finanzminister von Indien über Afrika bis Südamerika atmen auf: Sie müssen für die staatliche Vergünstigung von Grundnahrungsmitteln weniger ausgeben.
Leidtragende sind aber die Bauern in jenen Ländern, die weder von einer billigen Währung profitieren, noch mit Subventionen üppig versorgt werden. Sie verdienen massiv weniger.
Abassians Prognose: «Bleiben die Preise längerfristig tief, kann es durchaus sein, dass einige Bauern aufgeben. Das wäre aber schlecht. Die Lebensmittel würden sich verknappen, die Preise würden wieder steigen.» Genau dies sei vor zehn Jahren passiert – und hatte die Armen in noch grössere Armut gestürzt.