Ausländische Beamte, die Schmiergeld verlangen, sind für Schweizer Unternehmen Alltag. Dies zeigt jüngst eine Umfrage der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur: Von den 500 befragten Firmen gaben 40 Prozent an, dass von ihnen im Ausland informelle Zahlungen erwartet würden. Die Hälfte dieser Unternehmen zahlt tatsächlich.
Sie wägen ab, was es kostet, in diesem korrupten Karussell nicht mitzuspielen.
Juana Vasella hat als Anwältin schon mehrere Logistik-Unternehmen vor Gericht vertreten. Sie nennt einen typischen Fall von Korruption: Sie stehen am Zoll, wollen über die Staatsgrenze, aber der nette Zollbeamte macht Ihnen klar, dass das nur über ein paar Scheinchen im Umschlag funktioniert. Was machen Sie dann?
Eine schwierige Frage. Rein wirtschaftlich wägen die Logistiker Kosten und Nutzen ab: Eine Schmiergeld-Zahlung von einigen hundert Franken schafft ihnen Probleme aus der Welt. Denn sie stehen unter enormem Zeitdruck, müssen fristgerecht liefern. Sonst drohen Vertragsstrafen oder die Geschäftsbeziehung leidet. Wenn das auffliegt, könnten allerdings saftige Bussen folgen.
Laut Vasella gibt es Unternehmen, die die Bussen von Anfang an einkalkulieren. Sie wägen ab, was es kostet, in diesem korrupten Karussell nicht mitzuspielen. Im Gespräch mit Logistikern hört sie immer wieder den einen Satz: «Wissen Sie was, im Zweifel zahlt man halt.» Und die Unternehmen, die zahlen, zahlen nach eigenen Angaben viel: Im Schnitt machen solche Schmiergelder fünf Prozent des Umsatzes im jeweiligen Land aus.
Bussen bis zu fünf Millionen Franken
Nur ein Bruchteil aller Korruptionsfälle kommt vor Gericht. Das hat damit zu tun, dass es kein direktes Opfer, sondern nur zwei Täter gibt. Oft sind es Konkurrenten, die die Justiz einschalten, oder eine pflichtbewusste Person schlägt konzernintern Alarm.
Kommt es zu einer Verurteilung, kann es teuer werden. Denn seit einigen Jahren können nicht nur einzelne Mitarbeiter bestraft werden, sondern auch die Logistik-Firmen. So sind Bussen bis zu fünf Millionen Franken möglich. Angesichts solch hoher und bilanzrelevanter Summen ist das Thema definitiv auch in den Geschäftsleitungen angekommen.
Das Korruptionsrisiko im Ausland ist deshalb hoch, weil man mit vielen Partnern zusammenarbeitet.
Ob aus rein wirtschaftlichen oder auch aus ethischen Gründen: Ein Grosskonzern, der sich heute stark gegen Korruption engagiert, ist der deutsche Paket- und Briefdienst DHL. Die Leiterin der Rechtsabteilung in der Schweiz, Barbara Furrer, sagt: «Das Korruptionsrisiko im Ausland ist deshalb hoch, weil man mit vielen Partnern zusammenarbeitet – etwa mit Lastwagen-Chauffeuren oder Fluggesellschaften.»
Die Richtigen auszuwählen, sei eine schwierige Aufgabe: «Je nach Risikogebiet kann das so weit gehen, dass wir sogar einen externen Berater beiziehen, der die Dienstleister auf Herz und Nieren prüft.»
Null Toleranz ist das Ziel
Laut Furrer kommt es vor, dass dann mögliche Partner von sich aus abspringen. Ganz verhindern könne man Korruptionsfälle aber nicht. Bei solchen Meldungen kommt bei DHL ein standardisierter Prozess in Gang. Dabei werden die Schwere des Falls, allfällige Sofortmassnahmen und die zu involvierenden Personen abgeklärt.
Die Philosophie lautet ganz klar Null Toleranz, wie Furrer betont. Darum arbeiten bei DHL weltweit über 200 Compliance-Mitarbeiter, die sich ausschliesslich mit Korruption und ähnlichen Fällen beschäftigen. Doch trotz aller Bemühungen: Korruption und ihre Bekämpfung werden immer ein Teil des Logistik-Geschäfts sein.