- Der Berner Stromkonzern BKW zieht mit Übernahmen von zahlreichen kleinen Unternehmen den Unmut des Gewerbes auf sich.
- Tatsächlich: Fast im Wochentakt hat die BKW in letzter Zeit kleine und mittlere Unternehmen aufgekauft.
- Es stellt sich die Frage, was Unternehmen dürfen, die ganz oder teilweise im Besitz der öffentlichen Hand sind.
«Die Befürchtung ist, dass öffentliche Unternehmen aus einer starken Position heraus Märkte bewirtschaften und dann gegenüber Privaten Vorteile im Wettbewerb haben», bringt Peter Hettich das Problem auf den Punkt. Er ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität St.Gallen.
Aktivitäten ausserhalb des Kerngeschäfts
Die BKW ist nur das jüngste Beispiel, das diese Diskussion erneut entfacht hat. Die Post, die SBB, aber auch eine Stadtgärtnerei beispielsweise sind regelmässig mit solchen Fragen konfrontiert. Zur Gratwanderung wird es für diese Unternehmen immer dann, wenn sie ausserhalb ihres eigentlichen Kerngeschäfts tätig werden.
So lange ein öffentliches Unternehmen bloss in seinem Kernbereich mit der Zeit gehe und versuche, technisch aktuelle Produkte und Dienstleistungen anzubieten, sei es «völlig unproblematisch», so Hettich. «Schwieriger ist es, wenn sie in Märkte eintreten, in denen schon Private aktiv sind. Hier müssen wir schauen, dass alle über gleich lange Spiesse verfügen.»
Keine Beweise für unlauteres Verhalten
Diese gleich langen Spiesse seien nicht immer gegeben, stellt der Schweizerische Gewerbeverband fest. Das zeige sich etwa dann, wenn Geldgeber gesucht würden: Diese würden einer Firma wie der BKW eher Geld geben – weil der Staat hinter ihr stehe. «Zudem hat die BKW einen Monopolbereich, in dem sie keine Konkurrenten hat und Geld verdient», sagt Henrique Schneider, der beim Verband für Wirtschaftspolitik zuständig ist. Mit diesem Geld kaufe sie dann KMU-Betriebe auf oder dränge solche aus den Märkten.
Dem widerspricht die BKW vehement. «Der Monopolbereich ist strikt vom restlichen Geschäft – jenem am freien Markt – getrennt», sagt Mediensprecher Tobias Fässler. Dies habe der Regulator so vorgeschrieben und daran halte sich die BKW. Tatsächlich können die Kritiker aus dem Gewerbe bislang keine Beweise erbringen, dass die BKW gegen diese Regeln verstossen würde.
Kommt hinzu, dass die grossen Firmen wie Energieunternehmen, die SBB oder die Post auch von Gesetzes wegen minuziös durchleuchtet werden. So hat beispielsweise die Aufsichtsbehörde der Post aktuell keine Hinweise, dass der oft kritisierte Gelbe Riese seine Dominanz ausnutzen oder Dienstleistungen auf dem privaten Markt missbräuchlich quersubventionieren würde.
Gewinne ja, aber nicht auf Kosten der Privaten
Ist die Kritik des Gewerbes letztlich also nicht auch der Versuch, sich neue Konkurrenz vom Leib zu halten? Jetzt, wo sich die ehemaligen Staatskolosse immer mehr wie private Unternehmen verhalten, was von liberaler Seite ja explizit gefordert wurde? Gewerbeverbands-Vertreter Schneider gibt zu, dass die Forderung nach Effizienz und Gewinnen tatsächlich erhoben worden sei. Aber: «Man hat das in ihrem Kompetenzbereich gefordert und nicht gesagt, dass sie in anderen Gärten grasen sollen.»
Wie gross der Garten der staatsnahen Betriebe sein soll, ist vor allem auch eine politische Frage. Deshalb plant der Gewerbeverband, die Diskussion darüber mit einer Kampagne neu zu lancieren. Doch: «Das ist extrem schwierig», sagt Professor Hettich. Das Umfeld sei viel zu komplex für eine einfache Lösung.
Sicher ist: Die Diskussion darum, wie die Liberalisierung von Staatsbetrieben konkret aussehen soll, wird weitergehen.