In den Niederlanden gibt es ein einheitliches Tarifnetz für das ganze Land, frei von Zonen und für alle Transportmittel. An die Stelle des Papier-Billets trat dort die Chipkarte – als Einzelticket oder als Abonnement (s. Box).
In der Schweiz dagegen stossen viele Passagiere beim Lösen ihres Zugtickets an Grenzen. «Ich fühle mich manchmal überfordert, wenn ich Billete löse», sagt ein Reisender im Bahnhof Bern zu «ECO». Eine Passantin erklärt: «Von den Zonen her weiss man einfach nicht, was man lösen soll – und unter Umständen kann man zu wenig oder zu viel bezahlen.»
Zonen-Chaos in der Schweiz
Hierzulande herrscht ein Zonen-Chaos. Eine Besserung schien bislang nicht in Sicht. Doch seit einigen Tagen wird ein neues Ticket-System getestet. Pionierin ist allerdings nicht das grösste Mitglied des Verbands öffentlicher Verkehr, die SBB, sondern die regionale Südostbahn. Das Prinzip heisst Be-in-be-out, kurz Bibo. Das Ein- und Aussteigen im Zug wird kontaktlos und automatisch registriert. Dabei ist das Ticket auf der App eines Smartphones geladen. Verrechnet werden keine Zonen, sondern die gefahrenen Kilometer.
Technologie-Partner der Südostbahn ist Siemens Schweiz. Der Industrie-Riese war auch schon 2001 an vorderster Front dabei. Damals führte die SBB das Projekt Easyride durch. Zum Einsatz kam eine Chipkarte, die ebenfalls kontaktlos und automatisch funktionierte. Easyride galt als Erfolg. Trotzdem wurde das Projekt nach den Tests begraben, weil es mit 600 Millionen Franken als zu teuer galt.
Modernisierung würde Tickets verteuern
«Diese 600 Millionen von Easyride sind heute natürlich nicht mehr realistisch», sagt Gerhard Greiter, Chef der Mobility-Division von Siemens Schweiz im Interview mit «ECO». Er gehe davon aus, dass eine nationale Lancierung des modernen Ticketsystems heute nur noch maximal die Hälfte kosten würde, also 300 Millionen Franken. Hauptgrund dafür sei, dass die Hardware-Kosten seit den Easyride-Tests zur Jahrtausendwende massiv gesunken seien.
Jeannine Pilloud, Leiterin des SBB-Personenverkehrs, sieht dennoch Probleme: «300 Millionen Franken sind immer noch eine sehr grosse Summe.» Eine solche Investition würde bedeuten, dass man die Ticket-Preise um sieben oder acht Prozent erhöhen müsste, so Pilloud. Das wolle man nicht.
Hinzu kämen Kosten für Software- und Unterhaltskosten, die Siemens-Manager Gerhard Greiter nicht beziffert. Aber: «Unsere Berechnungen zeigen, dass sich ein solches System innerhalb von sechs bis acht Jahren refinanziert», sagt Greiter. Dies, weil beispielsweise die Fahrgastzählung und gewisse Vertriebssysteme obsolet würden. Sprich: Es bräuchte viel weniger Personal an den Ticket-Schaltern.
Der gordische Knoten bleibt
Die Schweizer ÖV-Branche und ihre mächtigste Vertreterin, die SBB, versuchen derweil weiterhin, den gordischen Tarif-Knoten zu lösen. Dafür werden in den nächsten zwei Jahren die veralteten IT-Systeme erneuert. Zudem führt die Branche im Sommer den Swiss Pass ein. Dabei handelt es sich um eine Chipkarte als Ersatz für General- und Halbtax-Abonnements. Ein Bibo-System, wie es die Südostbahn testet, ist für die SBB aber in den nächsten Jahren laut Jeannine Pilloud kein Thema.