Die Notenbanken geben alles: Sie haben die Zinsen auf null oder sogar darunter gesenkt, haben so viele Wertpapiere gekauft, dass sich ihre Bilanzen in den letzten acht Jahren verdoppelt haben. Und trotzdem springt die Konjunktur nicht an. «Ginge es nach unseren ökonomischen Lehrbüchern, müsste das alles zu Inflation und Überhitzung führen», sagt Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Würzburg und einer der so genannten deutschen «Wirtschaftsweisen».
Zu beobachten sei aber genau das Gegenteil. «Die Weltwirtschaft ist eher im deflationsnahen Bereich, es fehlt an Nachfrage.» Das gelte auch für das G20-Gastgeberland China, so Bofinger. «China kann seine ehrgeizigen Wachstumsziele nur erreichen, weil die Regierung Geld wie wild in die Wirtschaft pumpt und extrem expansive Investitionsprogramme auflegt.»
Neue Konjunkturprogramme sollen es richten
Auch andere Länder setzen auf millionenschwere Konjunkturprogramme, um die Wirtschaft auf Trab zu bringen. Japan hat gerade neue Konjunkturspritzen angekündigt, Italien plant das, Spanien und Portugal sind schon mittendrin – auch wenn das die Staatsschulden vielerorts auf ein ungesund hohes Niveau treibt.
Nur, warum wirkt das alles nicht? Ein Grund, warum das viele Notenbankgeld in der Wirtschaft nicht ankomme, seien die Banken, sagt Rolf Langhammer, Ökonom am Weltwirtschaftsinstitut in Kiel. «Seit der Krise 2008/2009 sind die Banken immer noch nicht aus dem Schneider. Und wenn sie die Chance haben, ihre Bilanzen durch niedrige Zinsen aufzuhübschen, dann werden sie das tun – und nicht noch mehr Kredite vergeben.»
Die Macht der Gewohnheit
Ein anderer Grund sei, dass sich die Weltwirtschaft allzu sehr an die vielen Aufputschmittel gewöhnt habe, die Notenbanken und Regierungen ihr seit der Finanzkrise in den Blutkreislauf spritzen. Die Mittel wirkten nicht mehr. «Die Geldpolitik kann nicht die Arbeit der Regierungen erledigen, sie kann bestenfalls Zeit kaufen», sagt Langhammer. «Und diese Zeit ist bisher nicht für Reformen genutzt worden.»
Und darum gebe es – trotz aller Anstrengungen – auch nicht mehr Wachstum, sagt Ökonom Langhammer. Dafür zeigten sich die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik immer stärker. «Diese Nebenwirkungen sind gefährlich. Es kommt zu Blasenbildungen – denken wir an die Immobilienmärkte.»
Das billige Notenbankgeld fliesst in den Immobilienmarkt statt in intelligente Technologien oder neues Wissen. Oder in weltweite Firmenübernahmen. Das ist nicht produktiv und schafft neue Risiken, ohne die alten Probleme zu lösen. Abgesehen davon, dass vom Handel mit Häusern oder Unternehmen nur eine kleine Minderheit profitiert.
Es fehlt die Nachfrage
Für den Würzburger Professor Bofinger ist die expansive Geldpolitik ohnehin nur Symptomtherapie, die ein tieferliegendes Dilemma kurieren soll. «Aus meiner Sicht hat es viel damit zu tun, dass es global an Nachfrage fehlt – manche sprechen gar von einem chronischen Nachfragedefizit.»
Grund für die fehlende Nachfrage sei die immer ungleichere Verteilung der Einkommen, sagt Bofinger – eine Folge der Globalisierung.
Auch am G20-Gipfel in Hanghzou wird es wieder Aktionsprogramme und eindringliche Appelle geben, um die Weltwirtschaft in Schwung zu bringen, die Chinesen haben das bereits angekündigt.
Einen messbaren Effekt dürfte das nicht haben. Viele Staaten werden daher auch künftig versuchen, mit Konjunkturprogrammen auf Pump die Nachfrage zu stärken. Weil das erfahrungsgemäss nur mässig funktioniert, dürften die Notenbanken auch weiter alles geben – um die Weltwirtschaft wenigstens vor der Rezession zu bewahren.